| # taz.de -- Fotografin über Mensch und Tier: Die Gefährtinnen
> Yana Wernicke hat zwei Frauen begleitet, die Kühe, Schweine und Gänse vor
> dem Schlachter retten. Es geht um die Beziehung zwischen Mensch und Tier.
wochentaz: Yana Wernicke, wir finden es okay, Schweine und Kühe zu essen –
aber Hunde und Katzen nicht. Warum?
Yana Wernicke: Das ist mir ein Rätsel, und das war ein Ausgangspunkt meiner
Arbeit. Auf der Rückseite des Buches habe ich alle Namen der Tiere
aufgelistet, die ich fotografiert habe. Es war mir wichtig, dass sie für
sich selbst stehen. Sie sind letztlich auch Haustiere, domestiziert und
abhängig von uns Menschen.
Wie ist die Arbeit entstanden?
Ich wollte mich mit der Beziehung zwischen Mensch und Tier
auseinandersetzen, auch in Bezug auf care. Was bedeutet es, sich um andere
Lebewesen zu kümmern? In Deutschland habe ich verschiedene [1][Lebenshöfe
besucht, wo Tiere vor dem Tod gerettet werden], und dabei Julie
kennengelernt. Sie war damals 19, lebte in der Stadt und hat eine Wiese für
Kühe gepachtet, die sie ganz allein gerettet hat. Ihr Mut und die
Verantwortung, die sie für andere Lebewesen übernimmt, haben mich
beeindruckt. Julie hat mich dann auch an Rosina weiterempfohlen, die neben
Kühen auch Gänse und [2][zwei Schweine gerettet] hat. Da war für mich klar,
dass es in der Fotoarbeit um diese beiden Frauen und ihre Beziehungen zu
den Tieren gehen wird.
Was zeichnet diese Beziehungen aus?
Es geht viel um Freundschaft. Dazu gehört, dass man gemeinsam einen Weg
beschreitet. Und dass diese Frauen und die Tiere voneinander lernen.
Was lernen sie?
Mich interessiert, wie Tiere in unserer menschengemachten Welt zu leben
haben. Julie und Rosina versuchen, den Tieren Freiraum zu schaffen und zu
erkennen, dass auch sogenannte Nutztiere unterschiedliche Charaktere haben,
die sich nicht in jede Struktur hineindrängen lassen. Nicht jede Kuh mag
Nähe, nicht jedes Schwein will kuscheln. Da geht es auch um Akzeptanz.
Auf Ihren Fotos liegen die Frauen oft neben den Tieren auf der Erde. Auf
Augenhöhe also?
Manche sehen darin eine kritische Vermenschlichung von Tieren. Aber ich
will nicht zwingend das Menschliche in den Tieren zeigen. Es geht mir eher
um Empathie und darum, das Tier auch es selbst sein zu lassen. Und
andersherum haben wir ja auch tierische Eigenschaften. Viele Menschen
trauen sich nur nicht mehr, diese zuzulassen. Dabei wäre das wichtig.
Warum?
Der Kulturökologe und Philosoph David Abram hat mal gesagt: „Menschen sind
wir nur im Austausch mit allem, was nicht menschlich ist.“ Je weniger
Kontakt wir mit der Umwelt und folglich auch mit Tieren haben, desto
weniger Kontakt haben wir zu uns selbst. Wir verarmen als Menschen, wenn
wir uns nur noch mit uns selbst beschäftigen. Ich trage schon eine
Sehnsucht in mir, im Austausch mit Tieren zu sein. Was nicht heißt, dass
ich genauso leben muss wie Julie und Rosina. Aber ich kann mich selbst in
den Bildern wiederfinden – und eine schönere Welt.
17 Mar 2023
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