# taz.de -- „Tatort“ aus Dresden: Mehr Mut zur Kürze

> Wie in Dresden ermittelt wird, macht in der Regel Spaß. Diesmal erwartet
> die Zuschauer ein Kommentar zur Lage der Nation.
Weniger ist manchmal mehr. Das gilt auch für Krimis wie diesen hier, um es
mal gleich vorneweg zu monieren. „Katz und Maus“, der [1][neue
Dresden-„Tatort“], hätte einige Kürzungen gut vertragen. Mitunter geraten
einige Szenen zu langatmig und entstehen wahrscheinlich nur, damit die vom
linearen Programmschema vorgegebenen 90 Sendeminuten – okay, exakt sind es
87 Minuten, die restlichen 3 Minuten sind für Programmhinweise eingeplant
–, ausgefüllt sind. Wenn die meisten Menschen aber heute mit linearen
Programmen nichts mehr am Hut haben, warum greifen die
Sendeverantwortlichen dann nicht endlich zur (Zeit)Schere im Kopf und
schmeißen sie endgültig über Bord.

Streamingdienste machen es vor. Es ist doch egal, wie lang ein Spielfilm
oder der einzelne Teil einer Serie ist. Oder wie kurz. Das kann die Sache
nur besser machen. Mit Kolumnen übrigens verhält es sich ja ähnlich –
[2][die Krimi-Kolumne in der wochentaz] ist ja nun auch länger geworden.
Dem Tatort „Katz und Maus“ jedenfalls hätte eine Viertelstunde weniger gut
getan. Denn der Krimi ist empfehlenswert und durchaus spannend. Aber der
Reihe nach.

Die Redakteurin eins boulevardesken Blättchens wird in Dresden auf offener
Straße gekidnappt, entführt und dann öffentlich zur Schau gestellt. Anders
kann man es nicht nennen. Mit den modernen digitalen, allseits verfügbaren
technischen Mitteln ist so was ja ein Kinderspiel.

Ein Countdown läuft. Per Videobotschaft verkündet der Entführer – seinen
Kopf hinter einer unförmigen Mausmaske verborgen – dass die Frau in seiner
Gewalt binnen 24 Stunden sterben muss. Es sei denn, die Kripo schafft es,
angeblich 150 in Sachsen vermisste, weil entführte Kinder zu finden und zu
befreien, sie sollen in einem Dresdner Keller gefangen gehalten werden. Was
für ein Plot.

## Das Internet verblödet die Leute

Michael Schnabel (Martin Brambach), der charmant altmodische Kripo-Chef,
bringt es in seiner gewohnt leicht schnoddrigen Art gleich zu Beginn des
Krimis auf den Punkt, wenn er sich aufregt: Das Internet verblödet die
Leute, die drehen doch alle völlig durch.

Hier wird nicht zu viel verraten, denn schnell legt die Dramaturgie nahe,
wie das Katz-und-Maus-Spiel enden wird: Nachdem die entführte Frau vor
laufender Kamera erschossen wird, gerät Schnabel selbst in die Fänge des
Täters. Die Kommissarinnen Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Leonie
Winkel (Cornelia Gröschel) nehmen die Fährte des Mannes auf, der fest daran
glaubt, dass Staat und Polizei gemeinsame Sache machen und nur eins richtig
gut können: vertuschen. Die da oben wollen die Kinder doch gar nicht
finden. Dass alles hat der Mann (Hans Löw als Michael Sobotta) aus dem
Internet, woher sonst. Und da kommt die Katz ins Spiel – aber schauen Sie
doch selbst.

Wie in Dresden ermittelt wird, macht in der Regel Spaß, weil Spannung
aufkommt, so bald Druck entsteht und die Nerven blank liegen, so auch
dieses Mal. Und weil es stimmige Szenen gibt, die emotional nahe gehen.
Weil Fragen gestellt, Antworten nahegelegt werden. Weil zwei toughe Frauen
ermitteln, die sich über die Mittel und Wege dabei auch gar nicht immer
einig sein müssen. Weil auch Kleinigkeiten, etwa die Musikauswahl, passen.

Das hier ist kein normaler Whodunit-Krimi, sondern vielmehr eine Art
Kommentar zur Lage der Nation in Spielfilmlänge. Es gibt ja anscheinend
immer mehr Menschen in diesem Land, die auf ihr demokratisch verbrieftes
Recht auf Meinungsfreiheit pochen und abstruse Behauptungen aufstellen,
weil sie im Internet Aufmerksamkeit und damit Klicks und Geld generieren
können. Ohne Rücksicht auf Verluste. Ohne Skrupel. Ohne Scheu.

Ein Satz aus diesem hübsch konstruierten Katz-und-Maus-Spiel bleibt
besonders haften: Man muss nur etwas behaupten, was man nicht beweisen
kann. Was für ein perfides Geschäftsmodell.

20 Nov 2022

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## AUTOREN
Andreas Hergeth
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