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Sind Humor und Klimawandel miteinander vereinbar? Nun, der dänische
Puppenspielregisseur Nis Søgaard ist davon überzeugt. Er lässt [1][in der
Berliner Schaubude] drei Wesen, die aus einem Alpenberg geboren werden,
erzählen, was die Menschen so treiben, mit riesigen Skiliften, Schnee, der
aus Kanonen kommt, oder Prosecco aus Dosen.
„Wir haben eine Distanz geschaffen über die Wesen, die diese Geschichte
erzählen, und auch, weil wir das Geschehen in die Zukunft verlagern“, meint
Søgaard in einer Pause zwischen den Proben. „Das Stück ‚Glamour Montain‘
feiert eine neue Welt, auch die Zerstörung, die damit einhergeht. Wir
versuchen das auf eine Art umzusetzen, die Humor auch erlaubt. Ich glaube,
der Mensch hat manchmal den Drang, allein durch seine Präsenz alles um ihn
herum zu zerstören, und diesen Drang, dem Abgrund zuzustreben, spüren auch
diese Wesen, indem sie die Menschen nachspielen, im Guten wie im Bösen.“
Mit dem Konzept beschäftigen sich er und seine Bühnenbildnerin und
künstlerische Partnerin Jana Barthel schon seit mehr als zwei Jahren. Die
Lotterie des Fördersystems führt dazu, dass manche Konzepte länger liegen
bleiben. Andere, gerade einmal antragsfertig angedacht, müssen plötzlich
realisiert werden, weil das Geld auf einmal vorhanden ist.
## Der Klimawandel ist schon da
„Glamour Mountain“ mussten Søgaard und Barthel dann auch immer mal wieder
umarbeiten. „Wir haben gemerkt, dass wir die Dinge, die wir vor zwei Jahren
als Sorgen, Ängste und Prognosen aufgeschrieben haben, jetzt schon haben.
Wir hatten während der Proben wochenlang 37 Grad draußen, das war schon
Realität. Auch deshalb gehen wir mit der Geschichte in eine Zukunft“,
erklärt Barthel. Immer in der Hoffnung natürlich, dass die mit schwarzem
Humor gemalte Zukunft nicht zu schnell Gegenwart wird.
Søgaard ist in der Vergangenheit bereits mit gewagten Verknüpfungen
aufgefallen. In „Danish Pork“ lässt er dänische Landwirtschaft und dänische
Porno-Industrie zusammenfließen. Verbindendes Element ist rosa Fleisch, das
der Schweine und das einer Landwirtin, die des ökonomischen Überlebens
wegen zu einem Porno-Star wird.
Brillant war auch die von ihm in Szene gesetzte Transformation des
Dogma-Films von Thomas Vinterberg „Das Fest“ in eine Orgie demütigender und
gedemütigter Schweine und Affen. Søgaard, auch Puppenspieldozent an der
Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, realisierte die Produktion
mit dem 3. Studienjahr.
Aktuell wurde er mit seiner [2][Dresdener Produktion „Was das Nashorn sah,
als es auf die andere Seite des Zauns schaute“], in dem es um die
Geschichte eines Zoologischen Gartens in der Nachbarschaft zu einem
Konzentrationslager geht, für den Theaterpreis Faust nominiert. Zum zweiten
Mal übrigens schon. Puppenspielern und Puppenspielregisseuren passiert das
eher selten.
Denn die Kategorie Puppenspiel taucht gar nicht auf; lediglich unter der
Rubrik Kinder- und Jugendtheater finden sich zuweilen Nominierte aus dem
Puppen- und Objekttheater. „Ja, eine eigene Kategorie wäre schön“, seufzt
Søgaard. Mit der Diversität ist es im Theaterbetrieb nicht einmal bezüglich
der Genres ganz weit her.
## Auf die Bühne gerutscht
Zum Puppenspieler und später Puppentheaterregisseur wurde Søgaard eher aus
Zufall. „Am Anfang wollte ich nur Puppen bauen. Ich kann das zwar nicht
sehr gut, aber ich konnte ziemlich gut modellieren und schnitzen. In
Dänemark bin ich dann zu einem Workshop gegangen, von dem ich dachte, es
ginge darin um Gestaltung. Es war dann aber ein Workshop für
Schauspieler*innen, die das Metier lernen wollten. Ich bin da
hineingerutscht, obwohl ich überhaupt nicht auf der Bühne stehen wollte.
Insofern war mein Einstieg mit sehr viel Angst verbunden“, erzählt er
rückblickend.
Søgaard entdeckte dabei aber sein Talent dafür, Geschichten über ein Objekt
erzählen zu können. „Das war die Rettung. Denn dabei stand nicht ich im
Vordergrund, sondern das Objekt“, berichtet er. Søgaard studierte
schließlich Puppenspiel in Berlin, an der Schule, in der er jetzt auch
unterrichtet. Er spielte viele Jahre fest als Puppenspieler im Ensemble des
Puppentheaters Magdeburg. Und seit einigen Jahren macht er sich als
Regisseur einen Namen, der das Puppen- und Objekttheater mit neuen Themen
und überraschenden Ästhetiken erweitert.
Manchmal, so hat er gemerkt, rümpfen klassische Puppenspieler*innen
über das, was er macht, die Nase, und fragen, ob das überhaupt noch „Puppe“
sei. Es handelt sich dabei vor allem um sorgsam versteckte Anerkennung. Es
wird Zeit, dass auch eines der großen Häuser ihn mal „entdeckt“. Denn Räume
füllen kann dieser Objektexperimentator ganz gewiss.
Und dass er die Kunst von Theaterwerkstätten, wenn er sie denn zur
Verfügung hat, auch optimal zur Entfaltung bringen kann, zeigte er bei
seiner auf Corona-konforme Boxen getrimmten, für den Faust-Preis
nominierten Stück im Theater der Jungen Generation in Dresden ebenfalls.
„Glamour Mountain“ hat Søgaard als Serie konzipiert, noch so ein
Erneuerungsversuch in der kleinen Sub-Branche.
22 Sep 2022
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