# taz.de -- Debatte über Übergewinnsteuer: Nicht sofort beiseitelegen

> Eine Übergewinnsteuer einzuführen ist in Deutschland rechtlich
> kompliziert. Aber es kann nicht sein, die Idee sofort zu verwerfen.
Die Demokratie ist wunderbar, aber immer gefährdet, denn sie leidet an
einem strukturellen Widerspruch. Demokratien gehen davon aus, dass alle
Menschen gleich sind – weswegen jeder Erwachsene genau eine Stimme hat.
Doch diese politische Gleichheit spiegelt sich nicht in der Wirtschaft
wider. [1][Das Volksvermögen ballt sich in den Händen weniger Familien] und
Konzerne.

Diese Spannung ist schon im Normalbetrieb schwer auszuhalten, doch in einer
Krise wird es politisch gefährlich. Der Ukrainekrieg hat den perversen
Effekt, dass die Energiekonzerne zusätzliche Milliarden scheffeln, während
ärmere Familien an ihren Heizkosten verzweifeln.

Der Staat muss diese Ungerechtigkeiten minimieren. Sonst ist abzusehen,
dass die Rechtsradikalen an Zulauf gewinnen, indem sie sich als Vertreter
der „kleinen Leute“ inszenieren. Der damalige italienische
Ministerpräsident Mario Draghi hatte diese Gefahr schon im März erkannt –
und eine [2][Übergewinnsteuer] eingeführt, die Teile der Extraprofite
wieder abschöpft.

Allerdings ist die Rechtslage in Deutschland anders. Das Grundgesetz
verbietet es, Gleiches ungleich zu behandeln. Konkret: Nicht nur
Energiekonzerne machen Übergewinne. Auch die Hersteller von Wärmepumpen
oder Photovoltaikanlagen profitieren im Übermaß. Die Autokonzerne wiederum
machen Extragewinne, weil sie durch die Corona-Lieferkettenprobleme höhere
Preise durchsetzen konnten.

## Gebrochenes Gleichheitsversprechen

Das Grundgesetz würde nun verlangen, dass alle Übergewinne gleich behandelt
werden. Diese Berechnungen dürften kompliziert sein. Ebenfalls ungeklärt
ist, was eigentlich passiert, wenn die Firmen irgendwann ein Minus machen
sollten. Bekommen sie dann Geld zurück vom Staat, weil sie „Überverluste“
verbuchen?

Diese Fragen sind nicht trivial. Aber die Antwort kann nicht sein, eine
Übergewinnsteuer von vornherein zu verwerfen. Denn für die Demokratie wird
es gefährlich, wenn die BürgerInnen das Gefühl haben, dass das
Gleichheitsversprechen gebrochen wird – und Wenige hemmungslos profitieren
dürfen.

17 Aug 2022

## LINKS
[1] /Prioritaeten-einer-Ampel-Koalition/!5805604
[2] /Steigende-Gewinne-bei-RWE/!5870713
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
Energiekrise 
Steuern
Industrie
Ölkonzern
Steuer
FDP
## ARTIKEL ZUM THEMA
Profite der Ölkonzerne: Die Tücken der Übergewinnsteuer
Es scheint gerecht, Krisengewinnler die Last der hohen Energiekosten
mittragen zu lassen. Mit freier Marktwirtschaft ist das jedoch nicht
vereinbar.
Abgabe für Krisenprofiteure: Koalitionskrach um Übergewinnsteuer
SPD und Grüne legen im Streit über eine Sondersteuer für Krisengewinnler
nach. Die FDP bleibt weiterhin strikt dagegen.
Übergewinnsteuer und die FDP: Hermetisch abgeriegelte Sekte
Die Kriegsfolgen verschärfen die soziale Ungleichheit im Land. Aber eine
Verteilungsdebatte wird mit der Ampel nicht zu machen sein – wegen der FDP.