# taz.de -- American Football in Europa: Viel Donner um zwei Ligen

> In der European League of Football schlägt Berlin Thunder die Istanbul
> Rams. An der neuen Liga gibt es viel Kritik, vor allem aus Deutschland.
Die Stimmung im Jahn-Sportpark ist ruhig. Bis die Mannschaft der Berlin
Thunder das Stadion betritt. Nicht durch den Tunnel, sondern über die
Ränge. Vorbei an den Fans. Unter deren donnerndem Applaus stürmen die
Thunder-Spieler aufs Feld. Am Samstag bestritt Berlin das erste Heimspiel
der neuen Saison der European League of Football (ELF). Zu Gast waren die
Liganeulinge aus Istanbul. Beide Teams hatten am ersten Spieltag eine
Niederlage einstecken müssen. Berlin eine besonders bittere 18: 43-Klatsche
in Hamburg.

Es ist die zweite Saison der ELF, im vergangenen Jahr bestand die Liga noch
aus acht Teams. Dieses Jahr wurde auf zwölf Teams aufgestockt. Hinzu kamen
neben den Istanbul Rams, die Rhein Fire aus Düsseldorf, die Raiders Tirol
aus Innsbruck und die Vienna Vikings. „Die beiden österreichischen Teams
zählen zu den besten in Europa und machen Titel der österreichischen Liga
seit Jahren nur unter sich aus“, freut sich Patrick Esume über die
Neuzugänge. „Coach“ Esume, wie er in Footballkreisen genannt wird, ist das
Gesicht des deutschen American Football und der Commissioner der ELF. Er
hat sich das Konzept ausgedacht. „Mir hat immer eine Football-Liga oberhalb
des etablierten Amateursports gefehlt. Eine Liga mit Ambitionen“,
beschreibt Esume die Gründe für seine Idee. „Die ELF gibt dem europäischen
Football und den Spielern die Bühne, die sie verdienen.“

Auf dieser Bühne beginnt das Spiel zwischen Berlin und Istanbul. Berlin
bekommt den Ball zuerst. Lauf, Lauf, Pass. Zehn Yards sind überwunden,
First Down. Berlin bleibt im Ballbesitz. Die Fans sind gut drauf.

Doch nicht alle sind glücklich über die ELF. Allen voran die German
Football League (GFL). Von der gab es scharfe Kritik an Esumes Projekt. Die
Spieler der neu gegründeten ELF-Teams wurden nämlich zum Großteil aus der
GFL rekrutiert. „Die ELF bedient sich kostenlos an den Strukturen, die die
GFL über Jahrzehnte aufgebaut hat“, klagt GFL-Vorstandsmitglied Axel
Streich. Drei Teams seien dadurch über die Klippe gesprungen. Die Vereine
aus Elmshorn, Ingolstadt und Hildesheim konnten 2021 keine Lizenz für die
GFL beantragen. „Die Teams der Frankfurt Universe und Stuttgart Scorpions
haben die Gründung von ELF-Teams in ihrer Stadt auf dem Papier zwar
überstanden. Wie die vergangene Saison gezeigt hat, haben sie aber schwer
mit dem Aderlass zu kämpfen“, so Streich. Stuttgart sei infolgedessen
letzte Saison abgestiegen. „Das war schon ein Schlag ins Gesicht vieler
Vereine.“

## Die Fans sind zufrieden

Esume kann die Kritik an seiner Liga nicht nachvollziehen. „Das Spiel
gehört den Spielern. Wenn der Spieler auf einem höheren Niveau, vor mehr
Zuschauern und im Fernsehen spielen will, ist das seine Entscheidung.“ Alle
profitierten doch davon, wenn dem American Football in Europa eine größere
Bühne geboten wird. „Das wäre möglich“, sagt Streich, „dafür bräuchte es
aber eine Kooperation zwischen der ELF und der GFL. Daran besteht vonseiten
der ELF aber kein Interesse.“ Nach Streichs Ansicht gehe es Esume nicht
darum, den American Football in Deutschland weiterzubringen, sondern um
finanzielle Interessen. Esume findet diesen Vorwurf heuchlerisch: „Hinter
den guten GFL-Teams wie Braunschweig, Kiel oder Hamburg, die es einmal gab,
standen auch Kapitalgesellschaften, wie bei der ELF. Das war genau das
gleiche.“ Man müsse nun mal auch Geld verdienen, um die Produktion der
TV-Bilder, die Gehälter und so weiter zu finanzieren. In den unteren Ligen
sei das anders, da werde noch echte Vereinsarbeit geleistet, kontert Esume.

Ähnlich verhärtete Fronten sehen auch die Zuschauer beim Spiel in Berlin.
Die Thunder Defense spielt stark und lässt keine Punkte von Istanbul zu.
Beide Offensivreihen machen aber viele Fehler. Immerhin konnte der
Rückstand durch zwei Field Goals auf einen Punkt verkürzt werden. Kurz vor
der Halbzeit platzt dann der Knoten. Thunder-Quarterback Joe Germinerio
findet mit einem tiefen Ball seinen Passempfänger Emil Drossard. Es folgen
weitere gute Spielzüge, Berlin hat das Spiel innerhalb weniger Minuten
gedreht. Halbzeitstand 20: 7.

Die Fans sind zufrieden. Auch mit der neuen Liga. Eric, 26, ist schon seit
acht Jahren Footballfan. Er schaut die NFL im Fernsehen, ein Spiel der GFL
hat er noch nie im Stadion gesehen. „Erst die ELF hat es geschafft, mein
Interesse für europäischen Football zu wecken.“ Er besitze sogar eine
Dauerkarte. Die Diskussionen um die Liga habe er auch mitbekommen, sagt
Eric. „Ich finde, dass die Entscheidung darüber, wo sie spielen wollen, bei
den Spielern liegen sollte. Außerdem bringt die ELF Schwung in den
verstaubten deutschen Football.“

Kleine Fortschritte gibt es im Streit der Ligen. Letztes Jahr las man von
der GFL noch Sätze wie: „In Deutschland ist nur Platz für eine
Football-Liga.“ Mittlerweile hört sich das ein bisschen gelassener an. „Ich
bin mir sicher, dass die GFL weiterhin bestehen wird“, sagt Axel Streich.
Die GFL wisse, dass sie sich professionalisieren müsse und habe das schon
vor Gründung der ELF angepackt. „Letzte Saison haben wir dreizehn Spiele im
Free-TV auf der Grundlage einer Vereinbarung aus 2019 übertragen. Das ist
dieses Jahr in dieser Form leider nicht mehr möglich, aber wir haben
bereits eine Partnerschaft mit einem Streaming- und zukünftigen
Smart-TV-Anbieter.“

Auch die Konkurrenz ruht sich nicht aus. Drei Teams, die die ELF nächste
Saison erweitern werden, stehen schon fest. Die Milano Seamen, ein Team aus
Zürich und die Fehérvár Enthroners aus Ungarn. Ein viertes Team wird noch
hinzukommen. Über die nächsten Jahre soll die ELF auf vierundzwanzig Teams
anwachsen. „Langfristig ist das Ziel, zu einer reinen Profiliga zu werden“,
sagt Esume. Im Moment sind pro Team acht Vollprofis und vier in Teilzeit
zugelassen, der Rest bekommt ein „Taschengeld“.

Die Berlin Thunder gewinnen das erste Heimspiel der Saison am Ende deutlich
mit 41: 7. In der zweiten Halbzeit überrollten sie die verunsichert
wirkenden Istanbuler und brachten 21 Punkte aufs Scoreboard, ohne dabei
einen zuzulassen.

12 Jun 2022

## AUTOREN
Denis Pscheidl
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