# taz.de -- Lieferdienste für Lebensmittel: Rückkehr zum Planet der Affen

> Die Dienstbotifizierung macht vor nichts halt, auch nicht vorm
> Supermarkt. Lieferdienste wie „Gorillas“ sind der letzte Schrei des
> Start-up-Irrsinns.
Lange standen die zwei Geschäftsräume in einer mäßig frequentierten Kölner
Straßenzeile leer. In dem einen hatte sich einst eine Postfiliale befunden,
nun bietet hier ein Mietbohrmaschinendienst seine Durchlöcherungen an; von
dem anderen surren seit ein paar Monaten im Minutentakt Menschen in der
Blüte ihres Lebens auf E-Bikes und mit pinken Lieferquadern auf dem Rücken
in die Umgebung.

Sie tragen kein Restaurantessen auf ihren urbanen Schultern, sondern
Lebensmittel. Onlinesupermärkte sind das neue große Ding der
Start-up-Szene. Die pinke Abteilung gehört zu „Flink“, dem frischen
Abklatsch vom kaum älteren Primus „Gorillas“, der bald eine Milliarde Euro
an Bumskapital wert sein soll. [1][Ausbeutung sells], wie man in der
Branche sagt.

Früher haben die Leute Holz gehackt und ihre Butter selbst gemolken. Sie
sind vor wilden Tieren um ihr Leben gerannt. Heute sendet „Gorillas“ auf
Plakaten einen „Gruß an alle, die morgens um 8 h Bio-Gurken aus der Region
bestellen“. Und leitet selbst die genervtestmöglichen Reaktionen in
Werbesprechbahnen: Haben die noch alle Pralinen in der Packung?

Wohin das alles führt, ist eine gute und sogar ernst gemeinte Frage. Wer
hätte vor zehn Jahren gedacht, dass sich Akademiker:innenpärchen
eine sprechende Lautsprecherbox ins Wohnzimmer stellen? Folgt auf „Alexa“
bald „Rettich“, der das leider nicht mitlieferbare Supermarktfeeling ganz
bequem ins Eigenheim trägt? Hängen sich Hipster bald Einkaufswagen an die
Wand, voll retro?

[2][Die Dienstbotifizierung macht vor nichts halt]. Das beschränkt sich
übrigens nicht nur auf urbane Sphären; bald, dafür sorgt die CDU, hat jede
Milchkanne ihre eigene smarte On-Demand-Station zur Verfügung, an der man
sich frische Lieferboten liefern lassen kann. Zugleich gerät das Strömen in
die Innenstadt zum Daseinszweck schlechthin. Aber wenn etwa Reiner Haseloff
den Restaurantbesuch zum Grundrecht erklärt, wo bleiben dann die Sorgen und
Nöte der kleinen Online-Start-up-Leute? Wovon sollen sie ihre Gewinnrunden
abmähen? Weiß die Köchin im Schnitzelparadies, wo der „Gorillas“-Lieferant
die Bestellung ablegt, aus der sie mein Essen kochen soll?

Die Politik hat auf diese Fragen keine Antworten. Liegt es an der deutschen
Bürokratie? Am Föderalismus? An der älteren Generation? An der jungen?
Niemand weiß es.

„Faster than you“ lautet der Slogan von „Gorillas“. Heißt im Umkehrschluss:
Ich komme gar nicht hinterher. Große Datenfirmen halten mir eine
hipdesignte Smoothie-Möhre vor die Fresse, aber haben mich längst
abgehängt. Die Kosten tragen künftige Generationen; aber, nun ja, gevögelt
wird auch immer weniger.

16 Jun 2021

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## AUTOREN
Adrian Schulz
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