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In Riga beginnt am Freitag ein Eishockey-Experiment, eine Weltmeisterschaft
in einer möglichst ansteckungsfreien Blase. Es herrschen in der lettischen
Hauptstadt ähnlich verschärfte Bedingungen wie in den letzten Playoffs der
nordamerikanischen Eliteliga NHL. Alle Profis der 16 Nationen, die an dem
WM-Turnier teilnehmen, müssen nach Anreise zunächst zwei Tage in
Einzelisolation auf ihren Hotelzimmern verbringen. Allein, ohne Ausgang,
das Essen wird vor die Tür gestellt. Es folgen drei Tage in Teamisolation,
das bedeutet: Zwar wird trainiert, es gibt jedoch keinerlei Kontakt mit
Menschen, die nicht zur Mannschaft gehören.
Spieler sehen nur Eishallen und ihre Hoteletage, dürfen nicht durch die
Stadt spazieren und werden täglich auf Corona getestet. Fremdkontakt ist
nur bei den WM-Partien mit den gegnerischen Profis erlaubt, Zuschauer sind
nicht zugelassen – kurz: Spaß sieht anders aus. Viele Profis haben
freiwillig verzichtet, internationale Topstars sind in Riga nicht dabei.
„Das ist eine mentale Herausforderung und für mich insgesamt der
Knackpunkt. Die WM wird diesmal im Kopf entschieden“, meint der frühere
Nationalspieler Rick Goldmann, der in Riga als TV-Experte im Einsatz ist.
„Das Turnier wird zeigen: Welche Mannschaft geht ein an den Umständen,
welche Mannschaft blüht auf.“
Bundestrainer Toni Söderholm, seines Zeichens finnischer Pragmatiker, sieht
kein Problem: „Du brauchst nicht jeden Tag Entertainment zu machen. Wir
leben hier nicht in einem Zirkus.“ Er traut es seinen Profis zu, mit der
Situation umgehen zu können. „Ich habe ein gutes Gefühl, ein sehr positives
Gefühl. Die Jungs sind sehr gut gelaunt. Ich bin zuversichtlich, dass wir
das gut hinkriegen.“ Es gab zwar auch im deutschen Team ein paar Absagen,
aber noch mehr Zusagen, sodass Söderholm eine Mannschaft in den Wettbewerb
schicken kann, die sich selbst einiges zutraut.
## Ohne Komplexe
„[1][Seit wir 2018 in Pyeongchang Olympiasilber gewonnen haben], sind wir
selbstbewusster geworden und haben unsere Komplexe abgelegt“, sagt
Nationalmannschafts-Kapitän Moritz Müller von den Kölner Haien. „Wir
spielen bei einem Turnier nicht, um nur zu überleben, sondern mit Zielen
und Träumen. Das haben wir uns über die Jahre erarbeitet. Wir haben viel
Talent in der Mannschaft.“
Und Erfahrung: Die Nordamerika-Profis Tom Kühnhackl und Tobias Rieder sind
dabei, Korbinian Holzer, der zuletzt in der russischen KHL spielte. Aber
auch Talente wie Lukas Reichel vom Meister Eisbären Berlin oder Moritz
Seider, der gerade in der schwedischen Liga bei Rögle BK als bester
Verteidiger ausgezeichnet worden ist.
Es beginnt mit einem strammen Programm. Die DEB-Mannschaft startet am
Freitag (15.15 Uhr) mit einer Partie gegen Italien. Am Samstag steht
bereits um 11.15 Uhr ein Spiel gegen Norwegen an. Es liegen also nicht
einmal 24 Stunden zwischen den beiden Begegnungen, die das deutsche Team
gewinnen muss, wenn es sein vorläufiges Ziel erreichen will, die
Qualifikation fürs WM-Viertelfinale.
Am Montag (19.15 Uhr) trifft Söderholms Auswahl dann auf Kanadas WM-Team,
diesmal eine Gruppe junger NHL-Spieler, die in Riga zum ersten Mal zusammen
trainiert hat. „Die Nordamerikaner haben vielleicht mehr Fragezeichen als
sonst, die Spieler sind ein bisschen unbekannter. Aber wir reden über sehr,
sehr gute Mannschaften“, meint Söderholm – auch in Anspielung auf die
US-Auswahl, Gegner der Deutschen am 31. Mai (15.15 Uhr). Vorher spielt das
DEB-Team gegen Aufsteiger Kasachstan (26. 5./15.15 Uhr) und
Titelverteidiger Finnland (29. 5./19.15 Uhr) und zum Abschluss gegen
Gastgeber Lettland (1. 6./19.15 Uhr, alle Spiele bei Sport 1).
Dass die Mannschaften noch Berühmtheiten aus Nordamerika nachnominieren
könnten, wie es sonst bei Weltmeisterschaften gern geschieht, ist diesmal
wegen der langwierigen Quarantäne nicht möglich. [2][NHL-Stürmer Leon
Draisaitl von den Edmonton Oilers] wird also auf keinen Fall in Riga
spielen. Vielleicht steigt der 20-jährige Seider zum neuen Star des
DEB-Teams auf. Goldmann traut es ihm zu: „Was er für einen Sprung gemacht
hat, ist beeindruckend. Man sollte auf ihn schauen, er hat das Potenzial,
zu den besten Verteidigern dieser WM zu gehören.“
Im vergangenen Jahr gab es wegen Corona keine WM. 2019 beim Turnier in der
Slowakei, Söderholms erster WM als Bundestrainer, kam die deutsche Auswahl
bis ins Viertelfinale, das sie mit 1:5 gegen Tschechien verlor. In der
WM-Endabrechnung landete sie auf Rang sechs.
20 May 2021
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