# taz.de -- Darts-WM profitiert von Corona: Schrullige bis seltsame Typen

> Gerwyn Price gewinnt das Darts-WM-Finale. Der ehemalige Rugbyprofi ist
> eine der schillerndsten Persönlichkeiten dieses nahezu perfekten
> Fernsehsports.
Am Ende wurde es noch einmal dramatisch. Geschlagene 12 „Matchdarts“ hatte
Gerwyn Price bereits verworfen, bis er endlich die Doppel-5 traf und damit
das Endspiel der Darts-WM 2021 für sich entscheiden konnte. Mit 7:3 gewann
er schließlich ein Finale, das insgesamt nicht erstklassig war, aber das er
weitgehend dominiert hat. Sein Gegner, der schottische Ex-Weltmeister Gary
Anderson, fand im Match nie zu der Treffsicherheit besonders in den
Doppeln, die es zum Titel gebraucht hätte. Am Ende konnte Anderson etwas
von der Angst vor dem Sieg aufseiten Price’ profitieren; als es aber
wirklich darauf ankam, versagte auch ihm die Wurfhand, und das auch viel zu
oft.

So sahen Finale und Turnier mit dem bisherigen Weltranglistenzweiten und
Ex-Rugbyspieler Gerwyn Price einen verdienten Sieger. Er spielte bis zum
Schluss am konstantesten und überzeugte mit gutem Scoring und guten
Doppeln, bis er kurz vor Schluss in eine Siegespanik verfiel. Doch sein
Vorsprung war zu groß und Anderson zu schwach, um seinen Sieg noch
ernsthaft zu gefährden.

Wobei gesagt werden muss, dass beide Spieler auch das nötige Turnierglück
hatten. Die ernsthafteste Konkurrenz schaltete sich gegenseitig aus oder
scheiterte überraschend früh. So war für Titelverteidiger Peter Wright
bereits im Sechzehntelfinale ausgerechnet [1][gegen den „German Giant“
Gabriel Clemens Schluss]; andere Favoriten wie Rob Cross oder Adrian Lewis
laufen derzeit ihrer Form hinterher. Und die bisherige Nummer 1, der
Niederländer Michael van Gerwen, wurde von einem wie im Rausch spielenden
Dave Chisnall im Viertelfinale aus dem Turnier geworfen. Chisnall selbst,
mit dem Überraschungssieg zum Geheimfavorit aufgestiegen, konnte sein
Niveau schon im Halbfinale nicht mehr halten und verlor gegen Anderson.

Gerwyn Price, mit schlagbaren Gegnern, aber nicht ohne Mühe durchs Turnier
gekommen, hat sehr lange für diesen Erfolg gekämpft, das sah man ihm im
Finale auch an. Im Turnierverlauf unterlag er den üblichen Schwankungen,
biss sich aber immer wieder in das jeweilige Match hinein und überzeugte
letztlich konstant durch eine sehr konzentrierte, fokussierte Leistung.
Dass der Muskelmann im entsprechenden Outfit oft als präpotenter
Ehrgeizling erscheint, der mit seinen martialischen Jubelschreien oft genug
seine Gegner nervt, ist dabei das eine.

## Nerdige Bierbauchträger

Das andere ist, dass Price einfach ein Typ ist, der neben der Bühne stets
ausgesucht sympathisch und höflich bleibt. Ein Typ in der an schrulligen
bis seltsamen Typen reichen Spitze dieses seltsamen Männersports, der, wie
oft erwähnt, [2][mittlerweile auch Frauen in der Spitze] und bei der WM
mitspielen lässt, auf Rituale wie Einlaufmusik und Cheerleaderinnen aber
nicht verzichten mag. Price ist neben dem Irokesenschnittträger Wright, dem
pixarartigen „Mighty Mike“ van Gerwen, dem tätowierten Familienvater
Anderson oder den zahlreichen nerdigen Bierbauchträgern wie beispielsweise
Halbfinalist Stephen Bunting eines der tragenden und, ja, schillernden
Gesichter dieses Sports. Ein Aushängeschild, das sich jetzt erstmals die
Trophäe des Weltmeisters gekrallt hat.

Die diesjährige WM – das Turnier beginnt traditionsgemäß vor Weihnachten
und endet mit oder nach Neujahr – stand wie alle Sportarten derzeit unter
besonderer Beobachtung und unter Ausschluss eines anwesenden Publikums. Im
Vorfeld gab es einen Coronafall, aber im Wesentlichen klappte die
Organisation wie die Fernsehübertragung aus dem Londoner Alexandra
Palace, dem legendären „Ally Pally“, wie am Schnürchen. Man könnte sogar
sagen, dass der Sport zu einem Gewinner der Pandemie zählen könnte: Denn
Darts ist nicht nur ein Ereignis, vor allem für die trinkseligen und
feierwütigen Fans in den Hallen; sondern ein nahezu perfekter Fernsehsport.
Splitscreen, Zählwand, ein, zwei gute Moderatoren – und fürs Gefühl noch
etwas Atmo und Jubel aus der Konserve, mehr braucht es nicht.

Man bekam so rasch den Eindruck, dass die Spieler die Fans am wenigsten
vermissten. Sie konnten sich so besser auf ihre Würfe konzentrieren; und
der Boom, den dieser Sport seit etwa zehn Jahren erlebt, geht ohnehin, wie
es scheint, unbescholten weiter. Die exorbitant gestiegenen Preisgelder
sprechen da eine deutliche Sprache.

Dennoch: Die WM 2022, die in der Adventszeit dieses Jahres beginnt, sollte
auch wieder mit den Fans begangen werden. Das haben sich alle redlich
verdient.

4 Jan 2021

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## AUTOREN
René Hamann
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