| # taz.de -- Mockumentary „How to Tatort“: Modern, frech, originell
> Mockumentary als Appetitanreger: Radio Bremen hat ein trügerisches
> Making-of produziert, weil dort demnächst ein neues Tatort-Team an den
> Start geht.
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„Beim Tatort sind wir eine große liebevolle Familie. Außer den Idioten aus
Münster. 14,5 Millionen – und wofür? Für ’ne schlechte Story und ’n paar
müde Gags.“ Das sitzt! Und gesagt hat es dann auch Anna Schudt, beliebte
Hauptkommissarin beim WDR-Tatort. Das muss Ärger geben. Aber halt: Sie hat
es ja gar nicht so gemeint, sondern als Dialogtext gesprochen – in der
Rolle der Tatort-Hauptkommissarinnen-Darstellerin Anna Schudt.
So kompliziert geht es nicht selten zu im Genre der Mockumentary, wörtlich
zu übersetzen als „Spott-Dokumentation“. Normalerweise ist es so: Behauptet
wird, ein Film dokumentiere die Realität. Tatsächlich aber folgt er in
seiner ganzen vermeintlichen Authentizität einem Drehbuch, und die
gezeigten Menschen sind Darsteller*innen – und manchmal stellen sie sich
sogar selbst dar.
„This is Spinal Tap“ war 1984 zwar nicht das erste Beispiel, aber messen
lassen müssen Mockumentarys sich an Rob Reiners Pseudo-Doku über die
Comeback-Tournee einer fiktiven Heavy-Metal-Band, die alle Klischees
übererfüllt. Hauptdarsteller Christopher Guest, der später als Regisseur
weitere Exemplare drehte, war [1][für Spiegel Online] noch 2015 „der
ungekrönte König der Gattung“.
„Borat“ ist ein jüngeres Beispiel für die komödiantische Spielart, die bei
jungem Publikum sehr beliebt ist. Das ist wohl auch der Grund, warum Radio
Bremen mit „How to Tatort“ nun so ein fingiertes Making-of produziert hat.
Den Anlass bildet der Neustart des dort produzierten TV-Dauerbrenners mit
dem Fadenkreuz-Vorspann. Gedreht wurde der erste Tatort mit den neuen
Bremer Ermittler*innen – Jasna Fritzi Bauer, Luise Wolfram und Dar Salim –
im Herbst, ausgestrahlt werden soll er im nächsten Frühsommer.
In der ersten Folge von „How to Tatort“ treffen die drei nun im
Produktionsbüro von Radio Bremen zum ersten Mal aufeinander – und verfallen
unverzüglich in Konkurrenzkämpfe. Mit Begeisterung stürzen sich aber auch
die altgedienten Ermittler*innen Wolfram Koch, Meret Becker und eben Anna
Schudt auf die Chance, zur Abwechslung durchgeknallte Karikaturen ihrer
selbst zu verkörpern.
Das Publikum soll die neuen Gesichter des Bremer Tatorts kennenlernen, und
das selbstironische Format ist dafür gut geeignet: Die sechs jeweils etwa
zehn Minuten langen Episoden sind witzig und intelligent geschrieben und
ganz nebenbei geben die Neuen dabei auch ihre Visitenkarten ab: Bauer kommt
vom Theater, der Däne Salim hat in „Game of Thrones“ mitgespielt, und
Wolfram spielte in früheren Bremer Tatorten schon eine BKA-Beamtin, ist
also sozusagen befördert worden.
Aus alldem bastelt die vermeintliche Making-of-Serie Konflikte zwischen den
Hauptdarsteller*innen. Ach ja: Wie im „richtigen“ Tatort üblich, wird
obendrein vergiftet, geschossen und ein Auto gegen die Wand gefahren.
Wer einen auch nur halbwegs realistischen Blick hinter die Kulissen einer
Fernsehkrimiproduktion erwartet, den dürfte „How to Tatort“ enttäuschen.
Ganz spielerisch verhandelt die Serie dafür Themen wie den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Genderpolitik oder auch den
Realitätsgehalt von Fernsehkrimis. Es bleibt zu hoffen, dass die kommenden
Tatorte aus Bremen auch so modern, frech und originell erzählt ausfallen.
27 Nov 2020
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