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Es war ein spannendes Spiel, das den nordamerikanischen Football-Fans da am
Montagabend zur besten Sendezeit in die Wohnstuben flimmerte. Gut zwei
Minuten vor Schluss gelang den Los Angeles Rams das entscheidende Fieldgoal
zum 27:24-Erfolg bei den Tampa Bay Buccaneers – Nachwuchs-Quarterback Jared
Goff, 26, gewann gegen den 43-jährigen [1][Tom Brady], sein großes Vorbild
aus Kindertagen.
Doch die große Sensation, die dem Publikum beim „Monday Night Football“,
dem herausgehobenen Sendeplatz der NFL, geboten wurde, war eine andere: Mit
Jerome Boger, Barry Anderson, Julian Mapp, Carl Johnson, Dale Shaw, Anthony
Jeffries und Greg Steed bildeten erstmals in der genau 100-jährigen
Geschichte der Liga ausschließlich Afroamerikaner die Schiedsrichterriege.
Dass es dazu kommen konnte, hatte ebenso viel mit der Covid-19-Pandemie zu
tun wie mit dem Vorhaben der traditionell konservativen NFL, sich ein
progressives Image zu geben. Gewöhnlich wird bei einem Trainingslager im
Sommer bestimmt, welche Unparteiischen während der Saison zusammenarbeiten.
Davon ist man in diesem Jahr wegen Corona abgerückt: Um die Reisetätigkeit
möglichst klein zu halten, werden die siebenköpfigen Teams vor jedem
Spieltag nach regionalen Gesichtspunkten neu zusammengestellt. Diese
Gelegenheit nutzte die Liga, um extra für eine „Monday Night
Football“-Übertragung eine gesamte Crew aus Schwarzen Schiedsrichtern,
geleitet von Hauptschiedsrichter Jerome Boger, zusammenzustellen.
[2][USA Today befand], das sei angesichts der Black-Lives-Matter-Proteste
und der Präsidentenwahl „ein starkes Statement gerade im Jahr 2020“, für
CNN wurde sogar „Geschichte geschrieben“.
## Jede Menge Eigenlob
Auch die NFL selbst feierte sich für den Promotion-Coup, den sie sich da
ausgedacht hatte: Mit Troy Vincent wurde einer der [3][wenigen Schwarzen in
der Funktionärsspitze der NFL] losgeschickt, um die medienwirksame Aktion
zu loben als „Zeugnis für die zahllosen und unermesslichen Leistungen, mit
denen Schwarze Schiedsrichter sich um den Football verdient gemacht haben“.
Kritische Stimmen waren in der grassierenden Begeisterung nur wenige zu
vernehmen. [4][In einem Beitrag für das Sportportal theundefeated.com]
schrieb der legendäre Schwarze Sportjournalist William C. Rhoden: „Das
hätte schon vor langer Zeit passieren sollen. Die NFL sollte dem Drang
widerstehen, sich auf die Schulter zu klopfen.“ Dann führte Rhoden, der in
seinem Buch „Forty Million Dollar Slaves“ schon 2006 eine Linie von den
Plantagen der Sklavenzeit bis zum Sportunterhaltungsgewerbe unserer Tage
mit seinen hochbezahlten Schwarzen Gladiatoren gezogen hatte, den Leser in
Zeiten, als die NFL ganz offiziell ein rassistisches Unternehmen war.
Im Jahr 1920 wurde die NFL gegründet, 14 Jahre später schloss sie Schwarze
Profis aus. Der Bann wurde zwar 1946 wieder aufgehoben, aber auch danach
wurden Schwarze Athleten systematisch diskriminiert. Vor allem wurde ihnen
abgesprochen, die intellektuell anspruchsvolleren Positionen im Football
meistern zu können, allen voran die des Spielmachers. Jahrzehntelang
bekamen Schwarze Quarterbacks keine Chance in der NFL.
Und bis heute haben Schwarze Spieler mit Stereotypen zu kämpfen: In einer
NFL, in der zwei Drittel der Profis Afroamerikaner sind, sind auch 2020 nur
ein knappes Drittel der Quarterbacks Schwarz. Noch größer ist das
Missverhältnis bei den Funktionären: Gerade mal 3 von 32 NFL-Teams haben
einen Schwarzen Cheftrainer, sogar nur 2 beschäftigen einen Schwarzen
Sportdirektor.
Ähnlich sieht es aus bei den Schiedsrichtern. Burl Toler wurde 1965 der
erste Schwarze Assistenzschiedsrichter in der NFL. Erst 1988 wurde Johnny
Grier zum ersten Schwarzen Hauptschiedsrichter. Heute sind 40 der 121
Schiedsrichter Schwarz, nur 4 davon dürfen ein Referee-Team leiten. Die NFL
ist also ein Stück vorangekommen, aber der Weg ist noch weit.
24 Nov 2020
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