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Chelmsford taz | Auf einem Bildschirm erscheint ein kahler großer Raum mit
grüner Wand und einem weißen horizontalen Streifen. „Grays Live Link“ steht
auf dem Bildschirm, was bedeutet, dass die Übertragung aus der 43 Kilometer
entfernten ostenglischen Stadt Grays kommt, vermutlich aus einer
Haftanstalt.
Am unteren Rand sitzt ein junger Mann mit Vollbart. Er trägt ein einfaches
graues Sweatshirt. Er blickt müde, ernst und betrübt in die Kamera. „Können
Sie mich hören?“, so die Frage einer gerichtlich Beauftragten in das
Mikrofon des Amtsgerichts der Stadt Chelmsford östlich von London.
Maurice Robinson, 25, der Mann auf dem Bildschirm, bestätigt mit starkem
nordirischen Akzent seinen Namen, seinen nordirischen Wohnort und sein
Geburtsdatum. Er ist der erste Angeklagte im Fall des Lkw-Containers, in
dem am vergangenen Mittwochmorgen [1][39 tote Migrant*innen in einem
Industriepark von Grays] entdeckt wurden.
Robinson soll den Lkw gefahren haben, in dem die Toten entdeckt wurden.
Vier andere Personen wurden inzwischen festgenommen. Nach wie vor wird in
Großbritannien und Belgien nach weiteren Personen gesucht.
## Keines der Opfer ist offiziell identifiziert
Derweil läuft die größte gleichzeitige Identifizierung von Opfern einer
Straftat in der Geschichte der britischen Polizei. Keiner der Namen der im
Container entdeckten Toten konnte bisher offiziell bestätigt werden, auch
wenn in den Medien bereits verschiedene Namen und Nationalitäten kursieren.
Darüber hinaus müssten insgesamt über 500 Gegenstände überprüft und die
Daten auf den Handys der Verstorbenen ausgewertet werden, berichtete die
zuständige leitende Polizeibehörde der Grafschaft Essex.
Warum Robinson nur per Videolink erscheint, ist nicht bekannt. Stattdessen
weist die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass Robinson nicht „nur“ wegen
der 39 Fälle von Totschlag vor dem Amtsgericht erscheine, sondern auch
wegen [2][Verschwörung zum Bruch der Einwanderungsgesetze] sowie illegaler
Bereicherung und Geldwäsche.
Eine Haftentlassung Robinsons auf Kaution lehnt die Staatsanwaltschaft
wegen Fluchtgefahr ab. Der Amtsrichter reicht den Fall weiter. Er geht nun
aufgrund der besonderen Schwere an ein Geschworenengericht, mit dem 25.
November als provisorischem Verhandlungsbeginn. Bis dahin muss sich
Robinson nicht äußern.
Es wird angenommen, dass der Fall an die Old Bailey geht, Englands
zentrales Strafgericht. Nach weniger als 15 Minuten ist die Anhörung
beendet. Das Medieninteresse ist groß. Im Gerichtssaal drängeln sich über
30 Journalist*innen, vor dem Gericht stehen mindestens ein Dutzend
Fernsehkameras.
Im Hafengebiet von Grays besuchen am gleichen Morgen Premierminister Boris
Johnson und Innenministerin Preti Patel die Notdienste, die am Mittwoch als
erste zum Container mit den Toten eilten. Man werde die Schuldigen zur
Rechenschaft ziehen, schreiben sie in das Kondolenzbuch.
28 Oct 2019
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