# taz.de -- Reaktionen auf Brexit-Abstimmung: Alle sehen Großbritannien am Zug

> Das Unterhaus hat den Brexit-Deal klar abgelehnt. Die EU und führende
> europäische Staatschefs und Politiker erwarten nun eine Ansage aus
> Großbritannien.
London/Berlin afp/dpa | Nach der [1][Ablehnung des Brexit-Vertrags] im
britischen Unterhaus hat die EU Klarheit von Großbritannien über den
weiteren Kurs gefordert. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker
verlangte von London am Dienstagabend dringend, „seine Absichten so bald
wie möglich klarzustellen“. Die Zeit dafür sei vor dem geplanten
[2][Brexit] am 29. März „fast abgelaufen“. Juncker zufolge ist mit dem
negativen Votum die Gefahr eines „ungeordneten Austritts“ ohne Abkommen
gestiegen.

Das britische Unterhaus hatte den mit der EU ausgehandelten
Austrittsvertrag zuvor mit 432 zu 202 Stimmen klar abgelehnt. Auch
EU-Ratspräsident Donald Tusk forderte von Großbritannien nun eine klare
Ansage, wie es weitergehen soll. Wenn ein Abkommen unmöglich sei, niemand
aber einen Austritt ohne Vereinbarung wolle, „wer wird dann letztlich den
Mut haben zu sagen, was die einzig positive Lösung ist?“, erklärte er auf
[3][Twitter].

Die verbleibenden 27 EU-Staaten würden „geeint bleiben“ und wie bisher eine
verantwortungsvolle Haltung einnehmen, erklärte ein Sprecher Tusks. Die EU
werde sich „auf alle“ Szenarien vorbereiten. Ziel sei es, „den Schaden
durch den Brexit zu begrenzen“. Diese Haltung sei mit den Regierungen der
27 verbleibenden EU-Staaten abgestimmt, erklärte Tusks Sprecher.

Juncker betonte, die Kommission und EU-Chefunterhändler Michel Barnier
hätten „enorme Zeit und Mühe in die Aushandlung des Austrittsabkommens
investiert“. Dabei habe die EU „durchweg Kreativität und Flexibilität“
bewiesen und auch zuletzt zusätzliche Klarstellungen und Zusicherungen
angeboten. Der über 17 Monate ausgehandelte Brexit-Vertrag sei „ein fairer
Kompromiss und der bestmögliche Deal“. Er sei „der einzige Weg, um einen
geordneten Austritt sicherzustellen“.

## EU will Ratifizierung fortsetzen

Die EU nehme die Ablehnung „mit Bedauern zur Kenntnis“, erklärte Juncker
weiter. Sie werde ihrerseits die Ratifizierung des Abkommens weiter
fortsetzen. Die Kommission werde gleichzeitig ihre Notfallplanungen
weiterverfolgen, damit die EU im Falle eines ungeordneten Austritts ohne
Abkommen „vollständig vorbereitet“ sei. „Auch wenn wir nicht wollen, dass
es dazu kommt, werden wir darauf vorbereitet sein“, erklärte Tusks
Sprecher.

Auch EU-Verhandlungsführer Michel Barnier sagte in Straßburg, er erwarte
nun von der britischen Regierung die Aussage, „was der nächste Schritt
ist“. Die EU bleibe „entschlossen, einen Deal zu finden“.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sieht die Briten nach der Ablehnung
des Brexitvertrags im Unterhaus unter Druck, sie haben seiner Ansicht nach
aber noch Möglichkeiten. Zunächst könnten sie sagen, es gebe keinen
Austrittsvertrag, sagte Macron nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP am
Dienstagabend. „Das macht allen Angst.“ Die ersten Verlierer dabei seien
die Briten selbst.

Bei einer anderen Option könnten die Briten versuchen, die mit den übrigen
EU-Partnern erzielten Ergebnisse zu verbessern, um dann erneut abzustimmen.
Er vermute, dieser Weg könnte gewählt werden – „ich kenne sie (die Briten)
ein wenig.“ Er sei aber nicht sonderlich davon überzeugt, denn beim
Brexit-Deal sei man schon zum Äußersten gegangen.

## Maas: Wir brauchen eine schnelle Lösung

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) verlangte Klarheit von Großbritannien.
Das Land sei jetzt „am Zug“, sagte Maas am Mittwoch im Deutschlandfunk. Die
Abgeordneten des Unterhauses hätten nicht klar gemacht, was sie wollen –
lediglich, was sie nicht wollen. „Das ist nicht ausreichend“, betonte der
Außenminister. Es brauche eine schnelle Lösung. Nachverhandlungen des
vorgelegten Vertrags mit der EU sehe er aber er kritisch. „Wir haben einen
Kompromiss“, sagte Maas. Beide Seiten seien bereits aufeinander zugegangen.
„Wenn man noch mehr hätte anbieten können, hätte man das schon vor Wochen
tun müssen.“

Nun müsse erst einmal der Ausgang des Misstrauensvotum gegen
Premierministerin Theresa May abgewartet werden sowie ihr neuer Vorschlag
für das Parlament. Ein Sturz Mays würde die Lage noch komplizierter machen,
sagte Maas. Für Verhandlungen brauche es eine stabile Regierung in London.

## Misstrauensvotum am Abend

Theresa May muss sich am Mittwochabend einem von Oppositionschef Jeremy
Corbyn eingereichten Misstrauensantrag stellen. Der Antrag hat allerdings
wenig Aussichten auf Erfolg. Die verbündete nordirische Partei DUP, die am
Dienstag gegen das Brexit-Abkommen gestimmt hatte, kündigte an, am
Mittwochabend für die Premierministerin votieren zu wollen. Auch
parteiinterne Kritiker wollen beim Misstrauensvotum für die
Regierungschefin stimmen. Das konservative Boulevard-Blatt Daily Mail
schrieb gleichwohl, Mays Schicksal hänge nur noch an einem „seidenen
Faden“. Übersteht May die Abstimmung, will sie bis kommenden Montag einen
neuen Plan vorlegen. Sie könnte versuchen, weitere Zugeständnisse von der
EU zu erreichen und das Abkommen dann erneut zur Abstimmung stellen.

Der niederländische Premier Mark Rutte zeigte sich enttäuscht über die
Ablehnung des Brexit-Deals: „Ich bedauere, aber respektiere das Ergebnis“,
schrieb er am Dienstagabend auf [4][Twitter]. „Die Niederlande und die EU
stehen hinter der jetzigen Vereinbarung, aber wir bereiten uns weiterhin
auf alle Szenarien vor.“ Der Rückschlag bedeute noch keine
No-Deal-Situation. „Nun ist Großbritannien am Zug.“

16 Jan 2019

## LINKS
[1] /Brexit-Abstimmung/!5566099
[2] /Brexit-Abstimmung/!5566099
[3] https://twitter.com/eucopresident/status/1085260488903090176
[4] https://twitter.com/MinPres/status/1085269338268073989
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