# taz.de -- Die Nazis und die islamische Welt: Hitler begrüßte mich freundlich

> Gab es eine Affinität zwischen NS-Ideologie und Islam? David Motadel hat
> eine umfassende Darstellung der Islampolitik des NS-Regimes vorgelegt.
Eine der schärfsten Waffen von Verteidigern der israelischen
Siedlungspolitik ist der Hinweis auf die überaus engen Beziehungen zwischen
dem Mufti von Jerusalem, dem palästinensischen Araber Haj Amin al-Husseini
– er segnete muslimische SS-Divisionen – und Adolf Hitler. Zudem verweisen
belesene Kritiker gerne darauf, dass die islamische Welt im Zweiten
Weltkrieg das nationalsozialistische Deutschland [1][massiv unterstützt]
habe.

Die ebenso panoramatische wie differenzierte Studie „Für Prophet und
Führer. Die islamische Welt und das Dritte Reich“ des Historikers David
Motadel ist das neue Standardwerk zum Thema. Sie zeigt, dass die Dinge ganz
so einfach nicht sind.

1941 wurde Haj Amin al-Husseini in Berlin von Hitler empfangen, was er in
seinen Erinnerungen so schilderte: „Hitler begrüßte mich herzlich mit
freundlicher Miene, ausdrucksvollen Augen und deutlicher Freude.“ Freilich
reichten die Verbindungen zwischen arabischer Welt und Deutschland bis in
die Zeit des Ersten Weltkrieges zurück, als ein deutscher Diplomat, Max von
Oppenheim – gleichsam ein deutscher Lawrence von Arabien – alles
daransetzte, die Muslime auf die Seite der Mittelmächte zu ziehen.

Der Archäologe und Orientalist plante einen Dschihad der islamischen Welt
aufseiten Deutschlands, Jahrzehnte später beflügelten seine Gedanken im
Zweiten Weltkrieg sowohl Wehrmacht als auch SS dazu, Muslime an allen
Fronten – von Nordafrika im Südwesten bis zum Kaukasus und auf der Krim im
Osten – zu Verbündeten Deutschlands zu machen.

Hinzu kam, dass sowohl Adolf Hitler als auch Heinrich Himmler den Islam im
Unterschied zumal zur katholischen Kirche für eine heldische Religion
hielten, die sie scharf von der Zugehörigkeit zu einer angeblich
semitischen Rasse unterschieden. In der Nähe Berlins, in Zeesen,
etablierten die Nationalsozialisten daher einen Sender, der kontinuierlich,
bis zum Ende des Krieges, die muslimische Welt in antisemitischer Weise zum
heiligen Krieg gegen Angelsachsen und die Sowjetunion aufrief.

## Mobilisierung von Muslimen durch die SS

Indes: Anders als gelegentlich behauptet, wurde der in jeder Hinsicht
judenfeindliche Begründer der Islamischen Republik – er lebte während des
Krieges in Ghom – nicht durch Radio Zeesen zum Judenfeind; nein,
ausgerechnet Khomeini geißelte die „Hitler-Ideologie als giftigstes,
ruchlosestes Produkt des menschlichen Geistes“.

Zudem, auch das wird gerne übersehen, trugen viele Muslime aus Nordafrika
und dem weiteren Nahen Osten als Soldaten der alliierten Armeen zum
Kriegserfolg der Alliierten bei. Mehr noch: Der damalige Herrscher von
Marokko, Sultan Mohammed V., rettete die Juden des Landes vor der von der
Vichy-Regierung geplanten Verfolgung.

Vergleichbares galt für den Balkan: Dort wurde es Juden und Roma zum Teil
ermöglicht, zum Islam zu konvertieren, was jedoch andere muslimische
Autoritäten keineswegs davon abhielt, festzustellen, dass der
Glaubenswechsel nicht zu einer Änderung der Rassezugehörigkeit führte.

Eine entscheidende Rolle bei der Mobilisierung von Muslimen durch die SS
spielte übrigens ein Mann namens Wilhelm Hintersatz, ein Offizier aus
Brandenburg, der schon während es Ersten Weltkrieges zum Islam konvertiert
war, sich seither Harun-el-Raschid Bey nannte und zum Kommandeur von
Himmlers Osttürkischem SS-Korps ernannt wurde.

## Freund der Deutschen

Wie ein Treppenwitz mutet es an, dass Wehrmacht hier und SS dort um
muslimische Soldaten konkurrierten. Ernst Jünger vermerkte es ebenso
spöttisch wie rassistisch 1944 in seinem Tagebuch: „In der Metro bestaunen
die Pariser jetzt Mongolen in deutscher Uniform. Gelbe Ameisenstämme werden
absorbiert.“

Unbekannt war auch bisher, wie stark noch die frühe Bundesrepublik von
Politikern geprägt war, die das Bündnis von Nationalsozialismus und Islam
beförderten oder später noch rühmten. So pries etwa der Turkologe Gerhard
von Mende 1956 den Divisionsimam der Ostmuselmanischen SS-Division,
Namangani, als „Freund der Deutschen“; so wird erst jetzt durch Motadels
Studie bekannt, dass der ehemalige Nationalsozialist und „Ostforscher“
Theodor Oberländer – von 1953 bis 1960 Bundesvertriebenenminister – während
der letzten Kriegsjahre Kommandeur eines muslimischen Wehrmachtsteils war.

Laut einem Protokoll seines Ministeriums vom Frühjahr 1957 erhielt der
frühere SS-Imam Namangani den Auftrag, „mohammedanische heimatlose
Ausländer […] um sich zu sammeln, um dann den erst einmal unliebsamen
amerikanischen Einfluß, der der Bundesrepublik schädlich werden kann,
auszuschalten“.

Motadels Studie ist für alle, die an den Beziehungen zur islamischen Welt
interessiert sind und sich nicht durch oberflächliche historische
Kontinuitäten täuschen lassen wollen, ein unverzichtbares Handwerkszeug. Er
hat schwer zugängliche und verschiedensprachige Quellen gesichtet.

Eventuell wäre es jedoch sinnvoll, in eine nächste Auflage auch die
Forschungsergebnisse des libanesischen Wissenschaftlers Gilbert Achcar
einfließen zu lassen, der in seiner 2012 auf Deutsch erschienen Studie „Die
Araber und der Holocaust“ zeigen konnte, dass nicht wenige
arabisch-islamische Publizisten und Intellektuelle in Ägypten, Irak und dem
Libanon frühzeitig und kritisch den Antisemitismus der Nationalsozialisten
und ihrer arabischen Verbündeten deutlich kritisierten.

8 Apr 2018

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[1] http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelgeschichte/d-65469611.html
## AUTOREN
Micha Brumlik
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