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Heiner Carow, Regisseur der „Legende von Paul und Paula“, hat auch einen
Spielfilm über das Schwulsein in der DDR gemacht. Der Film hatte am 9.
November 1989 Premiere. Dummerweise fiel am selben Abend die Berliner
Mauer. Die Deutsche Demokratische Republik war um ihr Coming-out gebracht.
Aber wie war das vorher? Wie hat man als Schwuler in der DDR leben können?
„Meine Eltern und Großeltern kann ich kaum fragen.“ Also muss der schwule
Filmemacher Ringo Rösener, der am Tag des Mauerfalls sechs Jahre alt war,
der also keine einschlägigen Erinnerungen hat, Ältere fragen, wie das
damals so war: „Unter Männern – Schwul in der DDR“ – so der Filmtitel.
Oral History, tendenziell greise Zeitzeugen erzählen. Möglicherweise liegt
es ja daran, dass Rösener mit Guido-Knopp-Programmen groß geworden ist und
einen begreiflichen Abwehrreflex ausgebildet hat. Jedenfalls wollte er
seinem ersten Dokumentarfilm unbedingt einen subjektiven Anstrich geben und
erklärt deshalb erst mal seine Motivation in der ersten Person aus dem Off.
Dazu gibt es eine nette Parallelmontage: Ringo Rösener kurvt auf dem
Fahrrad durch Berlin – der Schauspieler Matthias Freihof kurvt als Philipp
in Heiner Carows „Coming Out“ durch Berlin.
Irritierenderweise gibt Rösener diese Erzählweise gleich darauf wieder auf,
um den Zuschauer nun allein über seine Gespräche mit den sechs
Interviewpartnern an seiner Suche teilhaben zu lassen. Hinzu kommt, dass er
sich nicht entscheiden konnte, ob er als Fragensteller in Erscheinung
treten will oder nicht. Seine nicht immer, aber oft dokumentierten Fragen
aus dem Off sind akustisch kaum verständlich, das Mikrofon war wohl zu weit
weg.
## Zwiespältige staatliche Toleranz
Dass der Film Röseners – und seines Coregisseurs und Cutters Markus Stein –
trotz der offensichtlichen formalen und handwerklichen Mängel 2012 den Weg
ins Kino und zuvor zur Berlinale, in Wieland Specks Panorama-Sektion,
gefunden hat, muss, kann nur an der Geschichte liegen, die erzählt werden
wollte. An den Geschichten.
Und erzählt wird also von der DDR. Erzählt wird: Dass schwuler Sex in der
DDR nicht mehr strafbar war, als er das in der BRD noch war. Dass das
Schwulsein aber nicht offen gelebt werden sollte, die staatliche Toleranz
eine zwiespältige war: „Es war vielleicht für viele schwule Männer ein
Vorteil, dass sie aufgrund ihrer Veranlagung von vornherein durch so ’n
Sieb gefallen sind. Weil das so zur sozialistischen Persönlichkeit nicht
passte. Da war so was nicht vorgesehen. Diese Reste der
bürgerlich-dekadenten Moral.“
Dass ein Aktivist, Eddi Stapel, „wie so ’n schwuler Parteifunktionär“
gearbeitet habe, aber die Stasi gleichwohl, zur Sicherheit des Staates,
insgesamt vier Romeos auf ihn angesetzt hat. Dass, ausgerechnet, die Kirche
Schwulen einen geschützten Raum geboten hat. Dass die „Klappe“ genannten
öffentlichen Toiletten der unkomplizierteste Weg zu schnellem Sex waren.
Aber das waren sie wohl nicht allein in der DDR, sondern an vielen Orten in
der Welt. Und so wird auch das deutlich: Dass die Geschichte vom Schwulsein
in der DDR keine geschlossene Erzählung ist. Dass es vielleicht weniger auf
die Staatsform als vielmehr auf das direkte persönliche Umfeld, auf
Familie, Freunde und Kollegen ankam und auf die eigene Einstellung.
Zwei etwa gleich alte Freunde erzählen, schwule Akademiker. Der eine hat
als Lehrer um seinen Job gebangt und nie gewagt, sich zu outen. Der andere
ist in Chile geboren, wo er erlebt hat, dass schwule Heranwachsende sich
umbringen. Er hat die DDR als libertäres Paradies erfahren.
23 Jul 2013
## AUTOREN
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