# Gähnen ## Kürzestgeschichte Es kam spontan, laut und auffällig. Das Gähnen. Es ließ sich nicht unterdrücken, nicht vertuschen, nicht übergehen. Es fraß die ganze Umgebung und wurde Welt durch seine Präsenz. Das Gähnen übernahm die Kontrolle. Über den Gähnenden, über die anderen, die es mitbekamen. Der Redende stoppte irritiert und desorientiert, erschrocken und unsicher. Hatte er einen Fehler gemacht, zu lange oder zu langweilig geredet, zu unverständlich? Der Gastgeber fragte sich, ob er einen Fehler gemacht hatte. Hätte er das voraussehen können, es verhindern, den Gähnenden nicht einladen sollen, den Vortragenden nicht einladen oder den Zeitpunkt anders wählen sollen. Der Gähnende schämte sich über seinen Kontrollverlust, wusste, dass man ihm das Gähnen nicht verzeihen könne, fürchtete um seinen gesellschaftliche Reputation. Dem Gähnen war das egal. Für einen Augenblick war es Welt. Was kann man mehr sein, was kann man mehr erwarten? _(29.04.2019 Zuhause)_ Tags: kürzestgeschichte