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Sie nannten ihn „Amerikas Pastor“. Billy Graham hatte nie eine Stammkirche
– aber Millionen von Menschen folgten seiner Botschaft von Gott, der
unfehlbar sei, und von den USA, für die nach seiner Lesart dieselbe Regel
gilt. Mit der Bibel in der Hand reiste er kreuz und quer durch die Welt,
predigte in Sporthallen, im Radio und im Fernsehen und in den 33 Büchern,
die er veröffentlichte. Im Weißen Haus war er ein Stammgast. Als er am
Mittwoch im Alter von 99 Jahren in Montreat in North Carolina starb,
tweetete Donald Trump umgehend: „Es gab niemanden wie ihn! Er wird von
allen Christen und allen Religionen vermisst werden. Ein sehr spezieller
Mann.“
Seit seinem Treffen mit Präsident Truman verstand sich Graham zugleich als
Seelsorger und als politischer Berater der Präsidenten. Er war ein
Demokrat, solange die Demokratische Partei die Interessen der weißen
Südstaatler und Segregationisten vertraten, als sich das änderte, wurde er
Republikaner. Der erste Republikaner, dessen Wahl Graham vor seinen
Millionen von Anhängern unterstützte, war Nixon. Dabei spielte ein
innerchristlicher Konkurrenzgedanke die Hauptrolle: Der letztlich
siegreiche Kennedy war Katholik. Und als Bush der Ältere ihm seinen damals
noch trinkenden Sohn George W. vorstellte, soll Graham dafür gesorgt haben,
dass der dem Alkohol abschwor. Mit Obama betete er an seinem Alterswohnsitz
in North Carolina. Und als Trump das Amt antrat, schickte er seinen Sohn
und Nachfolger Franklin, um eine Rede am Kapitol zu halten.
Graham kam 1918 in einer frömmlerischen Bauernfamilie in North Carolina zur
Welt. Jeden Tag musste er einen Bibelvers auswendig lernen. Doch seine
„Berufung“ zum Prediger kam erst später. Dabei spielte seine Frau Ruth,
eine Missionarstochter, die er an der Universität kennen lernte, eine
entscheidende Rolle. Als er sie heiratete, schwor er, dass er sein Leben
lang mit keiner anderen Frau allein zusammentreffen oder essen werde.
Angeblich hat er sich daran gehalten.
Sein Erfolg beim Predigen, der das Fundament seines großen Vermögens wurde,
begann in der zweiten Hälfte der 40er Jahre mit Auftritten außerhalb von
Kirchen. Als „Southern Baptist“ kam er aus dem weißen Zweig der Kirche, zu
dessen schwarzem Zweig Martin Luther King gehörte. In den 50er Jahren
erkannte Graham, der ein sicheres Gespür für Stimmungen hatte, dass die
Zeit der Segregation zu Ende ging.
Bei seinen Predigten in den Südstaaten ließ er die Trennseile zwischen
weißen und schwarzen Gläubigen entfernen und legte sich mit dem
Ku-Klux-Klan an. In den 60er Jahren zahlte er mehrfach Kautionen, um Martin
Luther King aus der Polizeihaft zu holen. Doch als Graham zusammen mit
weißen Rassisten auftrat, trennten sich die Wege der beiden Prediger
wieder.
Seit den 90er Jahren litt Graham an Parkinson. Im Jahr 2005 hielt er in New
York vor 200.000 Personen seine Abschiedspredigt. „Ich hoffe, wir sehen uns
wieder“, sagte er.
22 Feb 2018
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