# taz.de -- Nachruf Heinrich Lummer: Nicht unsympathisches Arschloch

> Der Christdemokrat Heinrich Lummer, Berliner Innensenator von 1981 bis
> 1986, ist am 15. Juni im Alter von 86 Jahren gestorben
Ein „großer Politiker“ sei er gewesen, würdigte der Berliner
CDU-Vorsitzende Kai Wegener seinen jetzt im Alter von 86 Jahren
verstorbenen Parteifreund Heinrich Lummer. Wobei Zeitzeugen den populären
und polarisierenden Christdemokraten als ziemlich kleinen Mann in
Erinnerung haben, dem gerne das Napoleon-Syndrom attestiert wurde; ein
kleiner Mann mit großer Klappe. Auf jeden Fall war Lummer ein
einflussreicher Rechtspopulist, lange bevor es diesen Begriff gab.

Heinrich Jodokus Lummer stand wie kein anderer für den rechten Flügel der
West-Berliner CDU im Kalten Krieg, war ein knallharter Antikommunist,
gleichzeitig ein jovialer Mensch, der bei den Journalisten und den
B.Z.-Berlinern beliebt war, weil er das offene Wort liebte und immer für
einen unterhaltsamen Spruch gut war.

Bei dem späteren Innensenator und Parlamentspräsidenten handelte es sich um
einen klassischen Aufsteiger: 1932 in Essen im Ruhrpott geboren, lernte er
Elektromechaniker, bevor er auf dem Abendgymnasium sein Abi machte und am
Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Politologie studierte. 1965 stieg
er als Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus in die
West-Berliner Landespolitik ein, 1967 wurde er Abgeordneter und 1969
CDU-Fraktionsvorsitzender.

Als Richard v. Weizsäcker 1981 die Vorherrschaft der SPD brach, machte er
Lummer zum Innensenator, der mit den Hausbesetzern aufräumen sollte – was
dieser mit Freude tat. Angefeuert von der Springer-Presse fand Lummer zu
sich selbst. Als Mann fürs Grobe ließ er am 22. September 1981 neun
besetzte Häuser auf einen Streich räumen.

Nachdem die Polizei mit martialischem Aufgebot die Besetzer aus den Häusern
geschleppt hatte, ließ Lummer es sich nicht nehmen, für ein TV-Team auf dem
Balkon eines gerade geräumten Hauses zu posieren. Als Hausbesetzer sich auf
der Bülowstraße versammelten und gegen den Feldherrn protestierten, trieben
sie knüppelschwingenden Polizisten in den fließenden Verkehr der Potsdamer
Straße. Der junge Hausbesetzer Klaus-Jürgen Rattay geriet dabei unter einen
BVG-Bus und starb.

Jetzt war Lummer der Buhmann der Linken, Weizsäcker pfiff ihn zurück, es
begannen ernsthafte Verhandlungen und etliche besetze Häuser wurden
legalisiert. Lummer hatte seine Schuldigkeit getan, Nachfolger von
Weizsäcker wurde nicht der polarisierende Rechte, sondern der liberale
CDU-Mann Eberhard Diepgen. Als sich 1986 herausstellte, dass Lummer einem
zwielichtigen Freund namens Otto Putsch landeseigene Wohnungen günstig
verschaffen wollte, musste er im Zuge des Antes-Skandals zurücktreten.

## Einreiseverbot in Israel

Erst nach seinem Rücktritt fand der Spiegel heraus, dass der CDU-Rechte
dafür bezahlt hatte, SPD-Wahlplakate zu überkleben und sich von einer
Stasi-Agentin in Ost-Berlin, mit der er sexuelle Beziehungen unterhielt, in
großem Stil hatte abschöpfen lassen. Er war ein fröhlicher Hedonist, der
auch gerne mal einen über den Durst trank.

Nachdem er nach einer kurzen Zeit im Bundestag die Spitzenpolitik verließ,
rutschte Lummer immer weiter nach rechts: Sein 1999 erschienenes Buch hieß:
„Deutschland soll deutsch bleiben: kein Einwanderungsland, kein Doppelpass,
kein Bodenrecht“. Er warnte vor der „Überfremdung“ Deutschlands, lästerte
über die „Holocaust-Industrie“ und schrieb für die rechte Junge Freiheit.
Nachdem er sich immer wieder aus dem antisemitischen Repertoire der Rechten
bedient hatte, bekam er in Israel Einreiseverbot.

Entgegen dem Gebot, in Nachrufen nur Gutes zu kolportieren, ist
festzuhalten: Heinrich Jodokus Lummer war nicht unbedingt unsympathisch,
aber ein rechtes Arschloch.

18 Jun 2019

## AUTOREN
Michael Sontheimer
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