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Amsterdam taz | Nach wochenlangem Streit ist sich die niederländische
Rechts-Koalition zum Vorgehen in der Asyl-Politik einig: die sogenannte
„Asyl-Krise“, einer der Kernpunkte des Regierungsprogramms, ist vom Tisch.
Zur Bekämpfung dieses vermeintlichen Notstands war vorgesehen, dass die
Regierung am Parlament vorbei ein [1][Paket an Akut-Maßnahmen]
verabschiedet. Vor allem die rechtspopulistische Partij voor de Vrijheid
(PVV) hatte seit dem Antritt der Koalition im Juli darauf bestanden. Der
gemäßigt-konservative Nieuw Sociaal Contract (NSC) stellte sich wegen
rechtsstaatlicher und juristischer Bedenken quer.
Am Mittwoch einigten sich PVV, NSC und der parteilose [2][Premier Dick
Schoof] nun auf eine neue Formel: angepeilt wird ein
„Asyl-Notmaßnahmen-Gesetz“, wie es Schoof in einem Konzept-Papier
formulierte, das dem öffentlich-rechtlichen TV-Sender NOS vorlag. Dieses
soll „so schnell wie möglich“ ausgearbeitet und – entscheidender
Unterschied – dem Parlament vorgelegt werden. Am Donnerstag beriet sich die
gesamte Koalition, zu der auch die liberal-rechte Volkspartij voor Vrijheid
en Democratie (VVD) sowie die BoerBurgerBeweging (BBB) zählen, über das
weitere Vorgehen.
Am inhaltlichen Kurs der Regierung ändert sich im wesentlichen nichts:
unbegrenzte Aufenthaltsgenehmigungen sollen abgeschafft, begrenzte von fünf
auf drei Jahre Gültigkeit verkürzt werden. Weiterhin fallen volljährige
Kinder nicht mehr unter den Familien-Nachzug.
Deutlich verschlechtern wird sich nach Annahme des Gesetzes die Situation
syrischer Geflüchteter: Teile des Landes sollen noch dieses Jahr als sicher
deklariert werden, sodass zumindest von dort stammende
Antragsteller*innen ohne Aufenthaltsstatus abgeschoben werden können
–.und eventuell auch anerkannte.
## Deutsche Grenzkontrollen als Vorbild
„Wenn möglich noch dieses Jahr“ will die Regierung das sogenannte
„Verteilungs-Gesetz“ ihrer Vorgängerin loswerden, das erst zu Jahresbeginn
angenommen wurde. Es ermöglicht ihr, Asylbewerber*innen anteilig in
den Kommunen des Landes unterzubringen – vergleichbar mit der EU-internen
Verteilung Geflüchteter. Die „Vereinigung niederländischer Kommunen“ (VNG)
sah darin ein Mittel, die Unterbringung von Asylbewerber*innen
„nachhaltig und stabil“ zu regeln. Rechten Parteien und Medien war das
Gesetz seit jeher ein Dorn im Auge.
Ähnlich wie das Nachbarland Deutschland will Den Haag ab Ende November auch
Grenzkontrollen einführen. Der entsprechende Beschluss aus Berlin war im
Spätsommer von Asylministerin Marjolein Faber (PVV) wohlwollend begrüßt
worden. Mit eigenen Kontrollen wolle man „zeigen, dass wir Ernst machen mit
der strengsten Asylpolitik jemals“, so zitierte der im Grenzgebiet
ansässige Rundfunk-Sender Omroep Gelderland Faber. Die ´strengste
Asylpolitik jemals´, bzw. ´Europas´ ist seit Antreten der Regierung eines
ihrer inhaltlichen Aushängeschilder.
Mit der Einigung wendet die Koalition eine drohende Kabinettskrise und ein
schnelles Ende der [3][umstrittenen Regierung] ab, an der die PVV erstmals
nicht nur beteiligt, sondern nach ihrem [4][haushohen Wahlsieg 2023] die
stärkste Kraft ist. In niederländischen Medien wird dies vielfach als
Zeichen dafür gesehen, dass die PVV kompromissbereiter ist als gedacht.
„Das nächste Mal, dass Wilders mit einer Kabinettskrise droht, werden ihn
nicht alle ernst nehmen“, bilanziert die Tageszeitung Volkskrant.
Die Entwicklungen in Den Haag lassen sich freilich auch anders deuten:
indem die PVV möglichst lange auf drastische Maximal-Forderungen bestand,
erhöhte sie den Druck soweit, dass sie ihre Pläne nun realisieren kann und
dabei nicht als Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit erscheint, sondern als
kompromissorientiert.
24 Oct 2024
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