| # taz.de -- Die Wahrheit: Geschissen wird immer
> Nicht immer sind naturnahe Lösungen für dringende Bedürfnisse die
> angenehmsten. Das gilt vor allem bei Sanitäranlagen.
Vom Leben im Herzen der Natur machen wir uns oft allzu romantische, also
grundfalsche bis fatale Vorstellungen, lügen uns eifrig in die Tasche und
stolpern gewissermaßen mit verbundenen Augen durch die Wildnis,
vollvertrottelt und blind für ihre Widrigkeiten und Fährnisse.
Einst kannte ich eine Frau, die lebte irgendwo in Iberien am Rande einer
weitläufigen Pferdekoppel in einer mit duftenden Teelichtern und dicken
Teppichen zwar rudimentär, aber recht heimelig eingerichteten Jurte. Ein
hippieskes Paradies. Nur zum Scheißen musste sie halt mit dem Klappspaten
in den nahen Wald. Dort entstand mit den Monaten und Jahren ein „field of
shit“, ein gerade bei warmer Witterung äußerst widriger Winkel.
Meine Holzhütte im Pfälzerwald ist in dieser Hinsicht wesentlich kommoder
eingerichtet. Es gibt eine Toilette, deren Spülung sich aus einer Zisterne
mit Regenwasser speist, die aber, und das ist der Haken, nicht an die
Kanalisation angeschlossen ist. WLAN ist nett, aber Kanalisation ist
Zivilisation. Die Fäkalien laufen durch ein Rohr unter dem Rasen bis in den
untersten Winkel des Grundstücks, wo neben dem Komposthaufen unter der
Fichte eine drei Meter tiefe Sickergrube aufnimmt, was oben ausgeschieden
worden ist.
Leider versickert dort nichts. Es füllt sich einfach die Grube mit
Exkrementen. Alles, was ich nie wieder sehen wollte, steht dort als Suppe.
Unter einer schweren Betonplatte schäumt und gärt und stinkt alles
Hässliche vor sich hin. Von „sozialen Medien“ unterscheidet sich diese
Kloake nur insofern, als sie irgendwann voll ist. Leider bin ich sehr
schlecht darin, diesen Moment abzupassen. Nur widerwillig schiebe ich die
Betonplatte beiseite, um den Füllstand des Verdrängten zu kontrollieren.
Ich ziehe es vor, mich vor dem Inhalt der Grube zu fürchten wie Damokles
vor dem Schwert. Einmal führte der Rückstau dazu, dass mir die Summe meiner
Verrichtungen oben aus dem Abfluss der Spüle entgegenblubberte. Es gibt im
Leben eines Mannes erfreulichere Momente.
Und hier kommt Detlev ins Spiel. Er ist ein zahnloser Berliner, den es
irgendwie in die Pfalz verschlagen hat. Im Auftrag eines lokalen
Entsorgungsbetriebs patrouilliert er mit einem Tanklastwagen durch die
Gemarkung und wittert den Füllstand jeder einzelnen Jauchegrube.
Ohne Detlev wäre ich aufgeschmissen. Zuletzt kreuzte er im Frühjahr am
Gartenzaun auf, deutete auf die Betonplatte und rief: „Die ist voll!“ Ich
schüttelte den Kopf, unmöglich. Detlev aber: „Wollnwer wetten? Zwanzig
Euro?“
Tatsächlich stand der Sud bereits Oberkante Unterlippe. Während er mit
seinem Schlauch die Fäkalien abschnorchelte, reichte ich ihm sein Geld:
„Ick hab dit im Urin!“, und das gefalle ihm an seinem krisensicheren Job:
„Gestorben und geschissen wird immer.“
25 Oct 2024
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