# taz.de -- Die Wahrheit: Tausend Taler funkelnden Glücks

> Eine kleine Reise durch die Welt eines zertifizierten Gürteltierstemmers.
Ich wuchs gutbürgerlich auf als erstgeborener Sohn des renommierten
Gürtelwissenschaftlers Professor Doktor Sandbaumhüter. Doktor war in diesem
Fall der Zweitname und Professor der Rufname. Das führte nach den
Ausführungen meines Vaters hin und wieder zu Irritationen an der
Gürtel-Universität, in der er lehrte, weil dort alle gleich dachten, gleich
lang waren und gleich hießen. Aber das tut nichts zur Sache.

Nachdem ich mich erfolgreich vom Elternhaus gelöst hatte (Mein Erbe betrug
stattliche 100.000 Taler, das Gift war etwas preiswerter), dachte ich
darüber nach, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Da kam es mir wie
ein Blitz: Zertifizierter Gürteltierstemmer wollte ich werden, eine
Beamtenlaufbahn einschlagen! Doch der Weg zum Ziel war hart und steinig.
Ich konnte mich beim staatlichen Gürteltierstemmamt nicht bewerben, weil
ich kein Abi hatte. Ich musste also autodidaktischer Gürteltierstemmer
werden, doch dazu brauchte ich ein Tier, an dem ich üben konnte.

Ich kratzte all mein Hab und Gut zusammen und versuchte beim Tierheim ein
Gürteltier zu erwerben, doch wegen einer Aktionswoche wurden dort nur
Komodowarane versteigert.

Selber fangen war also angesagt. Nach einigen Fehlschlägen fiel mir auf,
dass die possierlichen Tierchen nicht auf meine Betäubungspillen
reinfielen, die spuckten sie immer wieder aus. Wenn ich ihnen hingegen ganz
leise etwas von Milli Vanilli vorsang, fielen sie in Ohnmacht. Diese Masche
perfektionierte ich schnell. Die süßen Nebengelenktiere hatte ich also
unter Kontrolle, jetzt musste ich sie nur noch stemmen.

Da ich mir in der Zwischenzeit einen eigenen Laborkomplex mit verschiedenen
Sicherheitszonen zugelegt hatte, hätte es mit dem Stemmen eigentlich sofort
losgehen können, allein fehlten mir die Angestellten, die diese schwere
Arbeit für mich hätten erledigen können. Jetzt war guter Rat teuer.

## Heidadauz!

Da kam mir eine Idee: Selbst stemmen! Behutsam nahm ich eines der grazilen
kleinen Naturwunder aus seinem wunderschön eingerichteten Zimmerchen,
stülpte es einfühlsam um und stemmte den kleinen Schelm so hoch hinauf, wie
ich nur konnte. Hei, da jauchzte der drollige Wonneproppen, den ich Odin
getauft hatte, vor Wonne!

Er gluckste und kicherte, als würde er zum ersten Mal im Leben Freude
empfinden. Dieses reine Glück, das in seinen Augen funkelte, trieb mich zu
neuen Ufern. Ich gab Anzeigen in der Zeitung auf, denn ich wusste, dass
dort draußen Kundschaft auf Odin und mich wartete. Der Wortlaut war:
„Ausstehende Raten und keine Erkältung? Für nur tausend Taler stemme ich
ihr Gürteltier.“

Darauf hat sich zwar bisher noch niemand gemeldet, aber ich glaube an meine
Geschäftsidee! Es ist nur eine Frage der Zeit. Ein Zertifikat habe ich
auch schon. Zum Geburtstag bekommen. Ich muss nur noch meinen Namen
eintragen. Dies war also die spannende Geschichte, wie ich zertifizierter
Gürteltierstemmer wurde. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

25 Oct 2024

## AUTOREN
Corinna Stegemann
## TAGS
Die Wahrheit
Gürtelstraße
Tiere
Geschichten
Italien
Kriminalroman
Kolumne Die Wahrheit
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