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Das von dem Münchner Kommunikationsdesigner Gerwin Schmidt entworfene
Plakat ist gut gemeint, dürfte aber auch eine abschreckende Wirkung
entfalten: Neben den Worten „Design für Kinder“ gruppieren sich mit
Wachsmalstiften gezeichnete fröhliche Monster um ein Fotomotiv.
Darauf jedoch sieht man keine „Kinder“, sondern einen blonden Jungen um
1966 in Lederkniebundhose. Etwas ängstlich in die Kamera schauend, schmiegt
er sich gestellt in die Formen einer von Günter Beltzig entworfenen
„Schaukelwanne“.
Nicht jedes Kind in der Stadt dürfte sich durch das historische
Identifikationsangebot des Fotomotivs angesprochen fühlen. Erwachsene
hingegen könnten rasch erahnen, dass das Plakat eine Ausstellung zu einem
museal eher selten gezeigten Aspekt der Designgeschichte bewirbt.
Dass sich „Design für Kinder“, die von einem Team um Anna Grosskopf,
Kuratorin am Bröhan-Museum, für diesen Ort konzipierte Ausstellung an
Erwachsene und Kinder richtet, wird beim Besuch aber schnell klar: Die für
Besucher*innen verschiedener Größen ähnlich gut sichtbaren rund 250
Exponate werden durch 13 „Spielstationen“ ergänzt, an denen Kinder das
Gezeigte gespielt in Funktion setzen können.
Spielzeugfiguren aus Holz
Zu sehen sind Beispiele aus Spielzeug-, Möbel-, Grafik- und Produktdesign
für Kinder seit der Zeit der Reformbewegung um 1900. Zunächst
chronologisch, im Verlauf des Parcours dann immer mehr thematisch
gruppiert, beginnt man etwa bei den Miniaturen der Dresdner Werkstätten –
Spielzeugfiguren aus Holz, mit denen so naturalistisch wie stilisiert
Straßenszenen nachgeahmt werden konnten.
Man staunt über die frühen Abstraktionen in den expressionistischen
Holzspielzeugen des Malers Georg Weidenbacher und schmunzelt darüber, dass
die bunten Flickentiere der in der Charlottenburger Teresa-Werkstatt
tätigen Resi Brandl tatsächlich als „Buflis“ vermarktet wurden.
Ganz klassisch führt die Ausstellung weiter in die Moderne, zeigt einen
Nachbau des multifunktionalen Kinderspielschranks „TI 24“ der
Bauhaus-Studentin Alma Siedhoff-Buscher, 1923 für das Kinderzimmer des
Weimarer Hauses „Am Horn“ entworfen.
Weiter geht es mit niederländischen, von dem Modernisten Gerrit Rietveld
und der „De Stijl“-Gruppe inspirierten Entwürfen von Klötzen oder
Spielautos aus Holz, an denen sich – für die, die es sich leisten konnte –
Grundformen und Primärfarben so richtig austoben durften.
Ein paar zeittypische Stahlrohrmöbel gesellen sich dazu, und auch wenn man
Material, Form und Funktion kennt, sieht man hier doch überraschend immer
kleine Versionen als Kindermöbel, erfährt dabei, dass auch der bekannte
Freischwinger von Marcel Breuer von Anfang an als Kinderstuhl konzipiert
war.
Nationalsozialismus wird ausgelassen
Den Zivilisationsbruch der 1930er und 40er, der sich fraglos auch im
Design für Kinderspielzeug abbilden ließe, lässt die Ausstellung aus (auch
die Militarisierung von Spielzeug zum 1. Weltkrieg spielte zuvor bereits
keine Rolle), um dann ganz poppig auf den Stühlen des Plastic Age der
1970er, der Postmoderne der 1980er oder [1][der Ikea-Welt von heute] zu
landen.
Eine nicht nachvollziehbare kuratorische Entscheidung. [2][In der kürzlich
in Weimar vom dortigen Bauhaus-Museum realisierten Ausstellung „Bauhaus und
Nationalsozialismus“] wurde die Kinderwiege für Karl Otto und Ilse Koch
(dem Buchenwalder Lagerkommandanten und dessen Frau) gezeigt, entworfen vom
früheren Bauhaus-Studenten Franz Ehrlich, der ab 1937 als politischer
Häftling in Buchenwald als Opfer für die Täter gestalten musste.
Dies wäre nur ein Beispiel dafür, dass man Design für Kinder im
Nationalsozialismus gerade in einem Berliner Designmuseum nicht
überspringen kann, zeigen müsste.
Teils hochinteressante Exponate
Die entstandene Leerstelle bleibt, trotz der teils hochinteressanten
Exponate: Originale und Modelle der vielgestaltigen Spielplatzgeräte und
-architekturen des vor zwei Jahren verstorbenen Beltzig seit den 1970er
Jahren, auf vielen Berliner Spielplätzen anzufinden, das metallene
Multifunktionsmöbel „Abitacolo“ („Cockpit“) von Bruno Munari (1971) oder
fantastische Baukästen, etwa der von Bruno Taut miterfundene, sehr seltene
„Dandanah“ (1920) mit bunten Glasbausteinen.
Auch zeithistorisch bleiben Leerstellen, gibt es ein loses Ende, denn wo
ist hier – frei nach dem Meme-Designer Mike Meiré – der latest Shit?
Handhelds? Game Design? Überhaupt: Spielzeuge mit Elektroantrieb? Auch das
ist seit Jahrzehnten gebrauchtes, designhistorisch längst erfasstes „Design
für Kinder“, kommt aber in der Ausstellung nicht vor.
Und so liegt der Kardinalfehler der Ausstellungskonzeption wohl darin, bei
großer Unentschiedenheit Kinder zum Sonderfall des Designs erklären zu
wollen. Denn im Umkehrschluss: Welches Museum würde eine Ausstellung ohne
Not „Design für Erwachsene“ nennen?
9 Nov 2024
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