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Berlin taz | Die Demo endet wie befürchtet: Rangeleien mit der Polizei,
Festnahmen, Flaschenwürfe und Verletzte. Rund 400 Menschen haben sich am
Montagabend am Südstern in Berlin versammelt, um offiziell in „Solidarität
mit Palästina“ zu demonstrieren. Beworben wurde die Demo, die am ersten
Jahrestag der [1][Hamas-Massaker in Israel] stattfand, unter dem Motto:
„Glory to the resistance“, zu Deutsch: „Ruhm dem Widerstand“.
Prominenteste Teilnehmende war die [2][Ikone der Klima-Bewegung Greta
Thunberg]. Mit Pali-Tuch, schwarzer Jacke und Corona-Gesichtsmaske war sie
von den anderen Demonstrierenden kaum zu unterscheiden. Einzelne baten sie
um Selfies. Eine Rede hielt sie nicht.
Über den Charakter der Demonstration ließen die Teilnehmenden gleich zu
Beginn keine Zweifel. Auf Schildern war davon die Rede, dass die „German
guilt“ den Nahen Osten zerstöre, andere erklärten Zionismus zum Traum der
Nazis. Mit „Intifada“-Sprechchören wurde zur Gewalt aufgerufen, für ein
Palästina, das arabisch sei. Mehrfach hallte auch gleich zu Beginn der
Spruch [3][„From the river to the sea, palestine will be free“] über den
Platz. Unter anderem die Hamas benutzt diesen Spruch in ihrem
Grundsatzpapier von 2017, in Berlin ist er verboten. Auch nach mehrfachen
Durchsagen der Polizei, dies zu unterlassen, wiederholten die Teilnehmenden
den Spruch.
Um 17.50 Uhr, knapp eine Stunde nach Beginn, marschierte dann ein behelmter
Trupp Polizisten in die Kundgebung und zerrte Menschen heraus. Laut
Polizeisprecher kam es zu vorübergehenden Festnahmen zur
Identitätsfestellung. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Stimmung aggressiver.
Die Polizei sperrte den Platz ab, mehrfach kam es zu Würfen von
Glasflaschen in Richtung der BeamtInnen. Später leuchteten ein paar
Bengalische Fackeln. Die Polizei ging robust in die Menge. Mehrere Menschen
wurden verletzt.
## Angriff auf JournalistInnen
PressevertreterInnen wurden von Protestierenden teils massiv an der Arbeit
gehindert. Mehrere Kamerateams konnten nur unter dem Schutz von
Security-Leuten berichtet. Die Reporterin Nadja Pia Wagner von Stern TV
berichtete, dass sie und ihr Kamerateam angegriffen worden seien. „Wir
wurden mit Wasser übergossen, beschimpft und getreten“, sagte sie der taz.
Der Ort der Demonstration war erst am Montag vom Hermannplatz in Neukölln
zum Südstern verlegt worden, auf Geheiß der Versammlungsbehörde. Laut einem
Polizeisprecher sei dies eine Maßnahme zur Gefahrenabwehr gewesen, am
Hermannplatz sei es in der Vergangenheit immer wieder zu Straftaten
gekommen.
Zur Demonstration aufgerufen hatten unter anderem die trotzkistische Gruppe
„Arbeiterinnenmacht“ sowie die „Kommunistische Organisation“, „Alliance of
Internationalist Feminists“, „Palästina Spricht“ und die „Jüdische Stimme
für einen gerechten Frieden in Nahost“.
Ein Vorstandsmitglied der Jüdischen Stimme wollte sich zu der Frage nicht
äußern, ob man mit dem Motto „Glory to the resistance“ am Jahrestag des
Hamas-Massaker nicht den Terror verherrliche. Die Anmelderin der
Demonstration wollte mit der taz ebenfalls nicht sprechen. „Lassen Sie
unsere Leute in Ruhe“, sagte eine Begleiterin.
## Gedenken in Kreuzberg
Thomas Wieskirchen von der Grünen Jugend Neukölln hingegen gab der taz
Auskunft. Mit knapp einem Dutzend anderen stand er an einer
gegenüberliegenden Straßenecke auf einer Gegenkundgebung, die die Grüne
Jugend, die Jusos und die Falken gemeinsam organisiert hatten. „Wir finden,
dass der 7. Oktober ein Tag des Gedenkens an die Opfer der Hamas sein
sollte und kein Tag, um diese Gewalt zu glorifizieren“, sagte Wieskirchen
der taz. „Es ist ein jahrzehntelanger Konflikt mit Leid auf beiden Seiten,
aber es wird keinen Frieden geben, wenn man terroristische Gewalt nicht als
diese benennt.“
Dem Hass auf Israel stellten sich auch anderswo in Berlin zahlreiche
Menschen entgegen, so etwa auf einer Kundgebung in Kreuzberg. Über den
Mariannenplatz hallten zum Auftakt atmosphärische Klänge, die eine
Ambient-Band in Gedenken an die israelischen Geiseln in Gaza komponiert
hatte. Die Versammlung wurde von „Feminism Unlimited“ organisiert und
verstand sich als feministische und antifaschistische Kundgebung gegen den
islamistischen Terror vom 7. Oktober 2023. „Für das Leben, gegen den Tod“ –
so lautete das Motto, in Anspielung auf den Schlachtruf der Hamas, sie
liebe den Tod so wie ihre Feinde das Leben.
Zuvor war auf den Treppen vor dem Bethanien der Slogan „Free Palestine“ mit
roten Dreiecken gesprüht worden – ein Symbol der Hamas. Als die Kundgebung
begann, war der Schriftzug aber schon längst mit „from Hamas“ ergänzt
worden, die Dreiecke waren übermalt. Die Stimmung war trauervoll und
bedrückt. Zum Höhepunkt waren schätzungsweise knapp 2.000 Menschen
anwesend. Auf einem Schild stand zu lesen „Homos gegen Hamas“, auf einem
anderen: „Rape is not resistance“. Ein paar Teilnehmer*innen brachten
Antifa-Flaggen mit, auch die Falken und die VVN sind vor Ort.
Rosa Jellinek von der queer-jüdischen Organisation Keshet sagte auf der
Bühne: „Ich bin zutiefst schockiert und enttäuscht, wie schnell sich
angeblich feministische Gruppen mit den Opfern sexualisierter Gewalt
entsolidarisieren, wenn sie jüdisch sind.“
Von der jesidisch-deutschen Schriftstellerin [4][Ronya Othmann] hieß es:
„Wer die [5][sexuelle Gewalt der Hamas am 7.10.] gegen israelische Frauen
leugnet, lässt sie nicht nur im Stich, sondern wirft sie vor den Bus und
sagt, sie wären gestolpert und der Bus sei ein Fahrrad.“ Auch die Autorin
Leah Czollek und Kelly Laubinger von der Sinti Union in Schleswig-Holstein
hielten Reden. Moderiert wurden die Beiträge von der Publizistin Veronika
Kracher. Zum Schluss spielte die Ambient-Band wieder, wie ein Requiem für
die Ermordeten vom 7. Oktober.
7 Oct 2024
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