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Am Tag danach.
Am Tag danach werden wir – jede und jeder einzelne von uns – wieder und
wieder erzählen müssen, was uns am 7. Oktober widerfahren ist, unzählige
Male. Wir werden den Palästinensern erzählen, was die Hamas uns angetan
hat, unseren Familien, unseren Verwandten und unseren Freunden. Wir werden
erzählen von den Verletzungen, den Verwundungen, den Misshandlungen an
Körper und Seele, von den Entführungen und den Morden. Wir werden von
unserer Lage an jenem für uns sehr lang gewordenen Tag erzählen, davon, wie
wir uns bedroht gefühlt haben wie noch nie zuvor seit der Gründung des
Staates Israel, werden erzählen von der Ohnmacht, der Angst und Wut, von
dem Grauen, das uns erfasste. Von der Würde, die wir verloren haben, und
der Schmach, die sich offenbarte.
Wir werden von Opfern und als Opfer der Situation erzählen und davon, wie
die Ordnung unseres Lebens erschüttert wurde, wie wir gezwungen waren, aus
unseren Ortschaften zu fliehen und uns aus Todesangst zu verstecken. Davon,
wie wir nicht wussten, in welche Richtung wir fliehen sollten, wie wir
verloren in unseren Verstecken standen, kauerten und lagen, wie wir um
unser Leben bangten und beteten. Davon, wie Raketen über uns hinwegflogen
und wie wir am Radio oder an den Fernsehbildschirmen hingen und das Grauen
live miterlebten. Davon, wie wir in den sozialen Netzwerken dem
mörderischen Massaker ausgesetzt waren, das wir nicht verstehen konnten,
dessen Bedeutung wir nicht begreifen konnten, von dem wir nicht wussten,
wie es überhaupt hatte geschehen können.
Wir werden von unserem Heldentum erzählen, wie es uns gelang, uns zu retten
und uns zu befreien, zu kämpfen und zu überwinden, und davon, wie wir auch
in den schweren Stunden bei Verstand blieben, wie wir unsere Kinder mit
Leib und Seele beschützten und fortfuhren, sie für einen normalen neuen
Schultag fertig zu machen, obwohl wir seither nicht mehr dieselben sind.
Und wir werden davon erzählen, wie wir uns – bereits an jenem Tag –
freiwillig meldeten um zu helfen, und wie wir entdeckten, dass es um uns
herum eine Gemeinschaft gibt, Kollektive und Menschen, die bereit sind, von
Herzen zu geben für andere, die sie bis gerade nicht gekannt haben, aus
einem Gefühl der Einheit und der Berufung, ja einfach der Menschlichkeit.
Und wir werden von dem Leben vor dem 7. Oktober erzählen, von den Traumata,
die wir zuvor erfahren hatten, und von dem schrecklichen Krieg, der uns
aufgezwungen wurde, von unseren Kindern, die gingen, um in Gaza zu kämpfen,
und von jenen, die gefallen sind, und von ihren Ehemännern, Ehefrauen und
Freunden, von der Empathie, die einige Völker der Welt uns
entgegenbrachten, die schon bald von einem Gefühl der Isolation abgelöst
wurde, und dies trotz der Angriffe der Huthis, der Hisbollah, des Iran und
anderer mehr.
Und wir werden erzählen von dem wachsenden Antisemitismus auf der ganzen
Welt, der auch Israelis trifft, die sich entschieden haben, nicht länger in
Israel zu leben, und Juden, die noch niemals dort gelebt haben, und von dem
Gefühl, dass wir um unser Zuhause kämpfen und sonst [1][keinen anderen Ort
haben, keinen einzigen], an den wir wirklich gehen könnten. Und von unserer
Angst werden wir erzählen vor jedem, der in unserer Umgebung Arabisch
spricht, oder sogar vor jedem, der ein wenig nicht zugehörig wirkt, denn
unser Gefühl persönlicher Sicherheit wurde so stark verletzt, dass wir uns
selbstständig organisierten, um uns zu schützen, die Türen verschlossen
hielten und kein Auge zumachten, bis wir wussten, dass sich unsere
Angehörigen an einem sicheren Ort befanden. Und von den Albträumen werden
wir erzählen, die uns nachts überkommen und aus denen wir erwachen und die
in einen nicht enden wollenden Wachalbtraum münden.
Am Tag danach, wenn wir den Palästinensern unsere Geschichte erzählen,
werden sie beschämt sein und den Blick senken, werden versuchen zu
protestieren, abzustreiten und zu leugnen, werden es aber schaffen, mit uns
ins Gespräch zu kommen, weil unsere Geschichten für sie authentisch wirken.
Sie werden mit uns über die Politik diskutieren, aber auch mit uns weinen
und bitten, uns umarmen zu dürfen, sie werden sich in ihrem Namen
entschuldigen und im Namen des gesamten palästinensischen Volkes, werden
versichern, dass, wenn es von ihnen abhinge, so etwas nie wieder geschehen
würde, genauso, wie es nie hätte passieren dürfen.
Und sie werden uns um Erlaubnis bitten, Fotos von uns zu machen und uns zu
interviewen, um unsere Geschichten in ihren sozialen Netzwerken zu
verbreiten, damit alle ihre Freunde und ihre Familien auch die Wahrheit
erfahren. Und sie werden uns in ihre Schulen einladen, damit wir dort
unsere Geschichte erzählen, und wir werden uns fühlen, als wären wir
Holocaustüberlebende, die kommen, um Zeugnis abzulegen.
Am Tag danach.
Am Tag danach werden wir – jede und jeder einzelne von uns – immer und
immer wieder zuhören müssen, [2][was die Palästinenser uns erzählen
werden]. Davon, wie sie sich gefreut hätten, als sie hörten, der Grenzzaun
sei durchbrochen, aber die Tragweite des Ganzen nicht verstanden; davon,
wie die Euphorie schnell in Angst vor Rache umgeschlagen sei, und von der
wenigen Zeit, die verstrich, bis diese dann einsetzte. Sie werden uns
erzählen, wie verängstigt sie gewesen seien, als die israelische Armee
ihnen Mal um Mal mitteilte, sie müssten ihr Zuhause und ihre jeweilige
Bleibe verlassen, weil es dort nicht sicher sei, und in Richtung Süden
gehen, danach in Richtung Westen und dann nochmal nach Norden, und wie die
Gerüchte sie getrieben hätten, sich jedes Mal woanders zu verstecken, und
wie sie dabei auch auf die Hamas gestoßen seien, die sie gestoppt und
drangsaliert habe. Wie sie ihre Kinder geschützt hätten, weil diese unser
aller Zukunft seien, wie es ihnen unterwegs aber nicht gelungen sei, allen
Menschen zu helfen, die nicht weiter konnten, und das waren viele, darunter
Alte und schwangere Frauen, die nicht einfach alles verlassen und gehen
konnten.
Und sie werden erzählen, wie Raketen und Bomben neben ihnen eingeschlagen
seien, die Erde zum Erbeben gebracht hätten und wie sie durch die Luft
geflogen seien. Wie sie auf Leichen gestoßen seien, zum ersten Mal in
diesem Krieg, aber nicht zum ersten Mal in ihrem Leben, wegen all der
vorherigen Kriege. Leichen, die Augenblicke zuvor noch lebende Menschen
gewesen waren. Und wie immer mehr ihrer Freunde und Verwandten lebendig bei
den Bombardements begraben worden seien; ganze Familien, Alte, Frauen und
Kinder seien einer nach dem anderen durch eine Bombe ausgelöscht worden.
Und dass es fast niemanden in Gaza gebe, dessen Familie nicht einen hohen
Preis an Menschenleben entrichtet habe. Dass sehr viele ihre Töchter und
Söhne verloren hätten.
Und sie werden erzählen, wie sie versucht hätten, den Verletzten zu helfen,
obwohl es kaum noch medizinisches Versorgungsmaterial gegeben habe. Wie
sie, wenn sie es zu einem Krankenhaus geschafft hätten, erkannt hätten,
dass es nicht mehr als solches diente, und sie gezwungen worden seien, auch
von dort zu fliehen. Sie werden erzählen, wie sie vom Tod eines Angehörigen
ersten oder zweiten Grades erfahren hätten, und natürlich auch von Freunden
und Bekannten, die getötet worden seien, und wie sie nach Vermissten
gesucht hätten und immer noch suchen würden. Und wie sie sich bald nur noch
versteckt hätten, um die israelischen Angriffe zu überleben, aber vor
lauter Angst und infernalischem Lärm keinen Schlaf gefunden hätten, und wie
sie sich schutzlos auch an Orten gefühlt hätten, die als geschützt
ausgegeben worden waren.
Und wie ihre Kinder gehungert hätten, sie ihnen nicht hätten helfen können;
und wie sie als Flüchtlinge in improvisierten Zeltlagern hätten hausen
müssen, ohne elektrischen Strom und einfachste sanitäre Einrichtungen, da
die meisten ihrer Häuser zerstört worden seien und es nichts gebe, wohin in
Gaza sie zurück können. Die zweite, dritte oder vierte Generation der
Flüchtlinge von 1948, die nun selbst zu Flüchtlingen geworden sind.
Und sie werden erzählen, wie sie von Seiten israelischer Soldaten
Erniedrigungen und Demütigungen erfahren hätten, wie diese sie beschimpft
und Hetzparolen an die Mauern gesprayt hätten, wie sie Häuser geplündert
und sie selbst misshandelt hätten. In der Zwischenzeit hätten sie das
Ausmaß der Zerstörung und vor allem des Tötens realisiert, hätten nicht
glauben können, dass ausgerechnet jüdische Menschen, deren kollektive
Erinnerung an den Holocaust sehr stark ist, zu etwas fähig seien, was in
ihren Augen Kriegsverbrechen, ja Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien.
Am Tag danach werden wir auch die Geschichten der Palästinenser aus dem
Westjordanland hören, die die Besatzung beständig weiter schikaniert und
von ihrem Land vertrieben habe. Die Aufmerksamkeit für ihr Leid aber sei
verschwunden, weil der Krieg ja scheinbar woanders stattfindet, doch auch
von ihnen wurden Hunderte in jenen Monaten getötet.
Und wir werden die Geschichten der Palästinenser aus Ostjerusalem hören,
die Angst gehabt hätten, zu ihrer Arbeit ins Hadassah-Krankenhaus in Ein
Kerem im Westteil der Stadt zu fahren, wo sie als Krankenschwestern und
Pfleger mit Juden zusammenarbeiteten, unterwegs dorthin in der Stadtbahn
seien sie Drohungen und Verunglimpfungen ausgesetzt gewesen. Und wir werden
die Geschichten der Palästinenser aus Israel hören, die wir noch immer als
„israelische Araber“ bezeichnen, wie man ihnen ihren Job gekündigt, sie von
den Universitäten geworfen habe, wie sie geächtet und verfolgt worden
seien, nur weil sie Empathie und Mitgefühl für die palästinensische Seite
gezeigt hatten, nachdem ihre Familienangehörigen in Gaza getötet worden
waren.
Am Tag danach werden uns die Palästinenser von der israelischen Besatzung
erzählen und was diese für ihr Leben bedeutet. Sie werden uns von Rassismus
erzählen, von Diskriminierung, von Gewalt gegen sie, nicht nur durch
Einzelne, sondern auch von Seiten der Polizei, der Armee und des Staates.
Sie werden uns erzählen von der Gewalt der Siedler, die mit den Jahren sehr
zugenommen habe, vor allem jedoch von den Unterdrückungspraktiken des
Staates: von den Beschränkungen der Bewegungsfreiheit, von der
fortschreitenden Reduzierung ihres Lebensraums, von ihrem begrenzten Zugang
zu Wasser und Elektrizität und vor allem von den Arbeitserlaubnissen, für
die sie durch sieben Fegefeuer müssten, um sie zu erhalten.
Sie werden uns vom Recht erzählen, das unter der israelischen Besatzung nur
ein Mittel der Vertreibung sei. Von Gesetzen, die wir nicht gekannt haben,
weil sie uns nicht betreffen, obschon der Oberste Gerichtshof sie bewilligt
hat. Sie werden erzählen von Administrativhaft, von Misshandlungen und
Folter, vom verwehrten Recht, sich selbst als Palästinenser zu definieren.
Sie werden uns erzählen, wie sie versucht hätten, gegen das System zu
kämpfen, doch dass sie wie einer von Kafkas Helden am Ende zum Beispiel
gezwungen worden seien, das von ihnen mit eigenen Händen errichtete Haus
wieder zu zerstören, um die Kosten für die „Absicherung“ zu sparen, die sie
hätten bezahlen müssen, wenn staatliche Stellen ihre Häuser abgerissen
hätten.
Sie werden uns erzählen, wie Menschen nicht nur ihren Besitz und ihr Heim
verloren hätten, sondern auch verletzt oder gar getötet worden seien, wie
verwaiste Kinder und Witwen zurückblieben, wie Töchter und Enkelkinder
starben. Sie werden erzählen vom Leben im Gazastreifen nach der
„Abkoppelung“, dem israelischen Abzug 2005, wie sie unter einem Zustand der
Belagerung gelebt hätten, getrennt von ihren Familien in Israel, auf der
Westbank und im Ausland. Davon, wie ihnen Nahrungsmittel, Waren und
Medikamente vorenthalten worden seien. Wie die Versorgung mit Strom und
Wasser ständig begrenzt gewesen sei und die Fischer daran gehindert wurden,
sich vom Strand zu entfernen und weit genug aufs Meer hinauszufahren. Wie
die Arbeitslosigkeit immer größer und das Leben schier unerträglich
geworden sei. Und natürlich werden sie von den ununterbrochenen Kriegen und
Militäreinsätzen erzählen, die fortwährend Menschenleben kosteten.
Und dann werden wir entscheiden müssen, wie wir reagieren. Ob wir ihren
Geschichten zuhören? Ob es uns gelingt, Tränen zuzulassen und mit ihnen zu
fühlen? Ob wir vielleicht sogar irgendwann mit ihnen werden lachen können?
Werden wir gemeinsame Geschichten des Leids entdecken können – wohl ein
bisschen unterschiedlich und doch einander ähnelnd, Geschichten darüber,
was jenseits des Zauns geschehen ist und was hier bei uns? Wohin wird
unsere Scham uns tragen und wohin vor allem die Verantwortung? Werden wir
ihnen Empathie entgegenbringen können, so wie sie sie uns gegenüber zeigen
werden? Und muss man überhaupt erst darauf warten, dass die andere Seite
damit beginnt?
Schon heute gibt es ähnliche Begegnungen, gibt es Initiativen wie
[3][Parents Circle], ein Forum israelischer und palästinensischer Familien,
die durch den Konflikt Angehörige verloren haben, gibt es Bildungs- und
Dialogeinrichtungen wie [4][Givat Haviva] oder die [5][Combatants for
Peace], die sich allesamt um einen Dialog zwischen den Narrativen bemühen.
Werden wir am Tag danach gemeinsam wachsen können? Werden wir die andere
Seite akzeptieren können? Wird es uns gelingen, wieder Verbindungen
aufzubauen und die Wunden zwischen uns zu schließen? Schon seit Jahren
bemüht sich eine zivilgesellschaftliche Initiative namens Have You Seen the
Horizon Lately? darum, zu einer Zusammenarbeit zwischen Palästinensern und
Juden zu ermutigen, und noch viel länger zurück liegt die Gründung von
Wahat al-Salam/Neve Shalom, einem gemeinschaftlichen Dorfprojekt von
Palästinensern und Juden, in dem sie nicht nur zusammenleben, sondern auch
gemeinsam unterrichten, erziehen und lehren, wie man Gruppen bei derart
aufgeladenen Treffen anleitet.
Am Tag danach werden wir unsere Geschichte nicht nur den Palästinensern
erzählen, sondern auch den Freiwilligen aus der ganzen Welt. Sie werden zu
uns kommen, um zu sehen, wie wir Frieden von unten schaffen, werden uns
helfen, unsere Beziehung zu den Palästinensern wieder zu erneuern, werden
zu uns kommen und uns helfen, uns wieder zu rehabilitieren, das Vertrauen
neu aufzubauen zwischen uns und ihren Staaten und zwischen uns und den
Palästinensern. Sie werden für einige Zeit in unseren Gemeinden leben,
werden uns bei einfacheren und komplizierteren Rehabilitationsaufgaben
begleiten und dabei unserer Geschichte lauschen.
Sie werden zwischen verschiedenen Gemeinden wechseln, zwischen
palästinensischen und israelischen, und werden gemeinsam mit uns die
Flicken wieder zusammenfügen. Studenten aus Harvard werden mit Überlebenden
der Massaker im Kibbuz Be’eri und auf dem Nova-Festival zurück zu den Orten
gehen, werden uns für einen Dokumentarfilm interviewen, in dem es auch
Interviews geben wird mit Flüchtlingen aus Shuja’iyya, die nach Rafah
vertrieben wurden, nur um dort dann Zeugen eines Massakers zu werden.
Chinesische Ingenieure werden helfen, in Gaza eine Stadtbahn zu bauen,
werden sich Geschichten vom Bau der Tunnel anhören und wie diese benutzt
wurden, werden von befreiten israelischen Soldaten Geschichten über die
Kämpfe in den Tunneln hören, werden auch den Geschichten von Palästinensern
lauschen, deren Angehörige ihr Leben ließen wegen der Hamas, und die
Geschichten israelischer Familien, deren entführte Liebsten
irrtümlicherweise durch die israelische Armee getötet wurden.
Deutsche Psychoanalytiker werden kommen, um die israelischen Piloten zu
behandeln, die Ziele bombardiert und Unschuldige getroffen haben. Sie
werden auch Hamas-Leute behandeln, die an Gräueltaten oder Kampfhandlungen
beteiligt waren und die nun im Entradikalisierungsprozess sind. Sie werden
die Palästinenser nach Yad Vashem begleiten und die Israelis ins Museum der
Nakba, um erlittenes Leid gegenseitig anzuerkennen. Die internationalen
Freiwilligen werden von dem Gesundungsprozess berichten, der hier
stattfindet und der anderen Staaten auf der Welt als Inspiration dienen
kann.
Am Tag danach werden Friedensorganisationen große Etatmittel zur Verfügung
gestellt bekommen, die ihnen vor allem helfen werden, mit ihrer Erfahrung
Begegnungen zu koordinieren und Projekte anzustoßen. Solche Initiativen
haben bislang für ihr Eintreten sehr viel Kritik und Delegitimierung durch
die israelische Gesellschaft erfahren. Am Tag danach werden wir endlich
ihre Arbeit anerkennen und uns ihnen vielleicht sogar anschließen. Wir
werden von den Ungerechtigkeiten lesen – zum Beispiel bei Organisationen
wie B’tselem, Zochrot oder Ir Amim –, die in unserem Namen begangen wurden,
von Unrecht und den Übergriffen gegen unbescholtene Bürger auf
verschiedenen Wegen. Am Tag danach werden wir verstehen, dass diese
Organisationen nicht „die schmutzige Wäsche öffentlich waschen wollen“,
sondern dass sie versuchen, uns schon seit Jahren aufzuwecken, damit wir
die Realität sehen, und uns zu ermutigen, diese zugunsten unserer beiden
Völker zu verändern.
Deswegen werden wir alle Shovrim Shtika ([6][Breaking the Silence])
beitreten, dem [7][Sprachrohr ehemaliger und aktiver Soldaten], denn auch
wir haben in der Armee gedient, wenn auch vielleicht nicht in den besetzten
Gebieten, und so verstehen wir dennoch heute den ungeschriebenen Vertrag
zwischen dem Staat und uns als potenziellen Soldaten: Der Staat hat uns
physisch zu schützen und einen moralisch-ethischen Rahmen zu gewährleisten,
und wir sind verantwortlich dafür, dass dieser Vertrag eingehalten wird.
Am Tag danach werden wir uns bei [8][dialogtogether] nach Möglichkeiten
einer Koexistenz mit den Palästinensern erkundigen, werden unsere Kinder
auf eine zweisprachige, hebräisch-arabische Schule schicken und auf der
Homepage von aChord über die Arbeit in „gemischten Organisationen“
informieren.
Der Tag danach hat längst begonnen. Und wir sind es, die über sein Drehbuch
entscheiden. Wir sind es, die mehr oder weniger bewusst, in unserem
Verhalten, in unserem Alltag und in der Sprache, die wir verwenden, durch
die Verbindungen, die wir eingehen und pflegen, bestimmen, wie der Tag
danach aussieht.
Übersetzung aus dem Hebräischen von [9][Markus Lemke]
5 Oct 2024
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