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Berlin taz | Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen hat es enorme
Verschiebungen der Stimmen gegeben.
Einen Einblick darauf geben diese Grafiken zur Wählerwanderung, die auf
Berechnungen des Umfrageinstitutes Infratest dimap beruhen.
## Thüringen: BSW als Abspaltung von der Linken
Die Linkspartei, die zuletzt 10 Jahre lang mit Bodo Ramelow den
Ministerpräsidenten stellte, zeigt sich hier als Partei in Auflösung.
Verloren hat sie in alle Richtungen, ganz besonders aber an das erstmals
angetretene Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Das BSW ist nicht nur, was das
Personal betrifft, eine Abspaltung von der Linkspartei, auch die
Wähler:innen sind in Scharen rübergewandert.
84.000 Thüringer:innen, die 2019 noch für die Linke gestimmt hatten,
wählten diesmal das BSW. Umgekehrt ausgedrückt: Jede:r zweite
BSW-Wähler:in machte zuvor sein Kreuz bei der Linken.
Überraschend stark ist die Wanderung von der Linken zur CDU. 39.000
Wähler:innen sind diesen Weg gegangen. Noch krasser ist der Sprung von
23.000 ehemaligen Links-Wähler:innen direkt zur AfD.
Die Rechtsextremen konnten nur der CDU mehr Wähler:innen abspenstig
machen (26.000). Besonders gut angekommen sind sie aber bei den bisherigen
Nichtwähler:innen, von denen sie gleich 71.000 Stimmen bei der diesjährigen
Wahl erhielten. Das macht mehr als die Hälfte der Zugewinne der AfD in
Thüringen aus.
Durch einstige Nichtwähler:innen konnten außerdem das BSW mit 27.000
und die CDU mit 23.000 neuen Stimmen einige Prozentpunkte holen. Die zur
Splitterpartei degradierte FDP verlor viele Anhänger:innen an die CDU.
Auffallend viele wechselten auch von FDP zu AfD beziehungsweise BSW.
## Sachsen: AfD profitiert von hoher Wahlbeteiligung
Ein ähnliches Bild in Sachsen: Auch hier hat die Linkspartei massiv an das
BSW verloren, das hier überraschend stark bei bisherigen CDU-Wähler:innen
punkten konnte.
Die AfD, die auch 2019 schon stark in Sachsen war, hat von den anderen
Parteien kaum Wähler:innen rüberziehen können. Der größte Batzen kommt
auch hier von den Nichtwähler:innen. Man kann also sagen, dass die
Rechtsextremen von der hohen Wahlbeteiligung profitiert haben.
Die SPD konnte übrigens – das geht beim Trubel um AfD und BSW fast unter –
in Sachsen ihr Ergebnis von 2019 halten. 8,9 Prozent der Zweitstimmen ist
im Bundesvergleich zwar nicht berauschend, doch so stark waren die
Sozialdemokraten in Sachsen vor vier Jahren auch.
Ihre Stabilität haben sie vor allem Zugewinnen von den Grünen zu verdanken.
Gleich 21.000 Menschen entscheidenen sich statt für Grün für Rot. Das
konnte leichte Abwanderungen von der SPD hin zu den drei
Wahlgewinner:innen CDU, AfD und BSW ausgleichen.
## Leicht bunte Wahlkreiskarte in Sachsen
Bei der Betrachtung der Wahlkreise zeigt sich, dass Sachsen durchaus noch
bunt sein kann, zumindest in und um Leipzig.
In Leipzig gibt es zwei rote Flecken: die Wahlkreise, in denen die Linken
Juliane Neigel und Nam Ngyuen mit jeweils großem Vorsprung auf Platz 1
landeten. Beide erhielten jeweils fast 40 Prozent der Erststimmen – ganz
anders als ihre Partei. Die Linke kam in ihren beiden Hochburgen auf nur
etwa halb soviel Zweitstimmen. Die beiden Direktmandate garantieren der
Linkspartei ein Überleben im Landtag, obwohl sie die 5-Prozent-Hürde
verfehlte. Offensichtlich haben hier die Kampagnen gefruchtet, die um
Erststimmen für die Links-Kandidat:innen warben – [1][auch um die drohende
Sperrminorität der AfD im neuen Landtag zu verhindern].
In Leipzig gibt es aber nicht nur rote Punkte, sondern auch einen grünen.
Den Wahlkreis Leipzig 6 gewann die Grüne Claudia Maicher mit 29,2 Prozent.
Auf Platz 2 kam hier die Linke mit 22,7 Prozent der Erststimmen. Damit ist
das ein ganz besonderer Wahlkreis im sonst so rechten Sachsen. Denn hier
kamen Grüne und Linke zusammen auf über 50 Prozent.
Der zweite grüne Punkt auf der Sachsenkarte liegt in Dresden. Im dortigen
Wahlkreis 2, der die Neustadt auf der Nordseite der Elbe umfasst, landete
der Grüne Thomas Löser mit 36,4 Prozent weit vor seinen
Konkurrent:innen von CDU, AfD und BSW.
Und dann fällt noch ein orangener Farbtupfer auf – im Landkreis Leipzig
Land. Dort landete Matthias Berger von den Freien Wählern mit 36,6 Prozent
vor der AfD-Konkurrenz mit 30,7 Prozent. Die in der Stadt so erfolgreichen
Grünen und Linken kommen hier zusammen nicht einmal auf 5 Prozent der
Erststimmen.
## Thüringen: schwarz-braun mit roten Flecken
In Thüringen ist die Wahlkreiskarte fast durchgängig braun. Nur in elf
Wahlkreisen lag am Ende ein:e CDU-Kandidat:in vorn. Prominentester
Christdemokrat wohl ist Christian Tischner, der den Wahlkreis Greiz II mit
43 Prozent gewinnen konnte. Zwar ist Tischner kaum über die Landesgrenzen
hinaus bekannt – aber sein Gegenkandidat: [2][Björn Höcke (AfD), der extra
den Wahlkreis gewechselt hatte, um zu gewinnen, landete mit 38,9 Prozent
auf Platz 2].
Und dann gibt es drei rote Sprenkel. So konnte in Jena 1 die Linke beide
Wahlkreise gewinnen, dazu einen in Weimar. Und den Wahlkreise Erfurt 3.
Dort setzte sich der noch amtierende Ministerpräsident Bodo Ramelow durch,
er bekam 42,4 Prozent der Erststimmen. Der Wahlkreis bestätigte auch, dass
Ramelow deutlich prominenter ist, als seine Partei. Von den Zweitstimmen
bekam die Linkspartei nur dort nur 16,4 Prozent und landete damit noch
hinter CDU und AfD.
In einem Dutzend der 44 Thüringer Wahlkreise kamen die Bewerber:innen
der AfD auf mehr als 40 Prozent der Erststimmen. Am stärksten schnitt Uwe
Thrum im Saale-Orla-Kreis ab. Er kam auf 47,4 Prozent der Erststimmen.
2 Sep 2024
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