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Berlin taz | Sollte der Georgische Traum (KO) die diesjährige
Parlamentswahl am 26. Oktober gewinnen und noch dazu auf eine
verfassungsändernde Mehrheit der Mandate kommen, sage keine/r, man habe es
nicht wissen können. In seltener Offenheit hat die Partei, die in der
Südkaukasusrepublik Georgien seit 2012 an der Macht ist, in einer
Erklärung vom Dienstag die Wähler*innen wissen lassen, welche Agenda sie
künftig abzuarbeiten gedenke.
Eine der ersten Amtshandlungen wäre die Einleitung eines Verbotsverfahrens
gegen die derzeit wichtigste Oppositionspartei Vereinte Nationale Bewegung
(ENM) nebst Gruppierungen, die mit ihr verbandelt sind. Die Partei des
ehemaligen Staatspräsidenten Michail Saakaschwili war 2012 abgewählt
worden. Er selbst wurde unter anderem wegen Amtsmissbrauchs zu einer
mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Die sitzt der 56jährige, gesundheitlich
stark angeschlagen, in Tbilissi ab.
Die ENM habe zahlreiche Verbrechen gegen den georgischen Staat und die
Bevölkerung begangen. Daher sei es inakzeptabel, dass die Partei weiter von
externen Kräften auferlegte Aufgaben ausführe, die dem Staat irreparablen
Schaden zufügten, heißt es in der Erklärung. Die Wahl im Oktober solle als
eine Art „Nürnberger politischer Prozess“ für die Nationale Bewegung
dienen.
In der Verfassung festschreiben will der KO auch Bestimmungen zum Schutz
„familiärer Werte“ und Minderjähriger. [1][Russlands Präsident Wladimir
Putin, mit dem vor allem junge Georgier*innen nichts zu tun haben
wollen, lässt grüßen!] Die Begründung liest sich, wie eine Abschrift der
Kreml-Narrative.
## Wider pseudoliberale Ideologien
Sollte dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt werden können, sei, laut KO,
niemand mehr in der Lage, die Legalisierung sogenannter
Lebenspartnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare, die Adoption durch
eben jene, Operationen zur Geschlechtsumwandlung oder die rechtliche
Anerkennung anderer sogenannter Geschlechter als männlich oder weiblich
durchzusetzen.
Zudem werde die Förderung pseudoliberaler Ideologien in
Bildungseinrichtungen und Medien verhindert. Eine Definition dieser
Ideologien hat die Regierungspartei ebenfalls anzubieten. Damit solle
erreicht werden, dass eine Person nicht einmal sicher zu wissen brauche, ob
sie ein Mann oder eine Frau sei.
Die Menschen sollen ihre Wurzeln und die Geschichte ihres Landes nicht
kennen und keine nationale, religiöse oder persönliche Identität haben.
„Das Ziel der pseudoliberalen Ideologie besteht darin, einen niederen
Sklaven zu schaffen, der leicht manipuliert werden kann.
Der georgische Politologe Gia Kukhaschwili, den das Webportal jam.news
zitiert, schlägt Alarm. „Der KO bezeichnet jede Partei oder jede*n
Bürger*in, der*die die Regierung kritisiert, als ‚Nazis‘. Mit dieser
Erklärung soll ein Einparteiensystem geschaffen werden. Jede abweichende
Meinung wird als etwas angesehen, das einer kriminellen Partei zu Diensten
ist.“
## Kampf für eine europäische Zukunft
Auch Petre Ziskarischwili von der Koalition Edinstwo (Einheit), der die ENM
angehört, spart nicht mit Kritik. „Das lässt mich schmunzeln. Sie, die
Regierung und der KO, stehen bereits im Lager Russlands, Nordkoreas, Irans
und von Belarus. Leider führen sie den georgischen Staat genau in diese
Richtung.“ Die ENM – das seien nicht nur Dokumente und Statuten, sondern
eine Idee, reale Menschen und der Kampf für eine europäische Zukunft
Georgiens.
Die Haare raufen dürfte sich erneut auch die EU. Im Dezember 2023 hatte
Georgien den Status eines Beitrittskandidaten erhalten. Knapp sechs Monate
später trat [2][ein Gesetz über „ausländische Agenten“ in Kraft]. Dem
folgten Sanktionen – vonseiten Brüssels und Washingtons. Genützt hat dies
offensichtlich nichts.
21 Aug 2024
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