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Nach mehreren Wochen ohne Niederschlag müssen über hundert Gemeinden mit
Trinkwasser aus Tankwagen versorgt werden, die normale Wasserversorgung in
den Ortschaften ist zusammengebrochen. Das war die [1][Realität in
Frankreich im Sommer 2022]. In Deutschland war die Situation in den
vergangenen Jahren trotz mehrerer Dürresommer weniger dramatisch. Doch die
Klimakrise verschärft sich weiter. Könnte es auch hier zu akutem
Grundwassermangel kommen? Anhand von drei Indikatoren versucht dieser
Artikel, sich einer Antwort auf diese Frage zu nähern.
## Lückenhafte Daten zum Grundwasserpegel
Am einfachsten wäre es, sich die Entwicklung der aktuellen
Grundwasserstände in Deutschland anzuschauen. Sinken sie langfristig?
Erholen sie sich? Doch dabei gibt es in Deutschland ein grundsätzliches
Problem: Keine Behörde erfasst bundesweit die Grundwasserstände. In den
meisten Bundesländern stellen die Landesumweltämter die Daten der
Messstationen zur Verfügung, allerdings oft lückenhaft und nicht immer mit
historischen Daten. Die Qualität der Grundwasserdaten ist daher sehr
unterschiedlich und eine flächendeckende Auswertung nur eingeschränkt
möglich.
Die EU kritisiert, dass es in Deutschland keine zentrale Erfassung von
Grundwasserdaten gibt. Eine rechtliche Verpflichtung zur Erfassung und
Veröffentlichung dieser Daten gibt es jedoch bisher auch auf EU-Ebene
nicht.
Das Rechercheportal Correctiv.lokal hat dennoch möglichst viele lokale
Grundwasserdaten i[2][m sogenannten Grundwasseratlas zusammengetragen].
Daraus geht hervor: Bei knapp einem Viertel der Messstationen sinkt der
Grundwasserspiegel, bei etwas weniger als einem Sechstel steigt er an.
Regional ist der Trend sehr unterschiedlich: In Nordrhein-Westfalen weisen
36 Prozent aller ausgewerteten Messstationen einen Rückgang auf, in
Niedersachsen sind es 33 Prozent. Im Gegensatz dazu verzeichnen
beispielsweise in Hessen 34 Prozent der Messstationen steigende
Grundwasserstände.
## Dürre in den oberen Bodenschichten
Da die Grundwasserdaten keine flächendeckende Einschätzung ermöglichen,
werden weitere Indikatoren benötigt. Einer davon ist der Dürremonitor des
Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung. Er untersucht die Trockenheit in
den oberen 1,8 Metern des Bodens. Auch wenn das Grundwasser selbst in
tieferen Bodenschichten liegt, dienen die oberen Bodenschichten als Beleg
für das Verhältnis von Niederschlag und Temperatur, das mittelfristig auch
für die Neubildung von Grundwasser entscheidend ist. Denn: Das Wasser aus
den oberen Bodenschichten steht den Pflanzen während der
Vegetationsperiode zur Verfügung. Wird es jedoch nicht verbraucht oder
verdunstet, sickert es tiefer in den Boden und kann sich dort wieder als
Grundwasser sammeln. Ist der Oberboden dagegen bereits ausgetrocknet, kann
kein Wasser mehr versickern.
Sowohl im Juni 2021 als auch im Juni 2022 waren weite Teile Deutschlands
von teils starker Dürre betroffen. Anfang Juni 2024 meldete das
Helmholtz-Institut jedoch für 91 Prozent des Bundesgebietes keine Dürre
mehr. So wenig Trockenheit gab es in Deutschland seit 2018 nicht mehr.
Übrigens: Der Boden kann auch mit Wasser gesättigt sein, auch dann
versickert kein weiteres Wasser. Bei besonders starken Niederschlägen, wie
Anfang Juni in Süddeutschland, kann ein bereits gesättigter Boden die
Hochwasserlage noch verschärfen.
## Verteilung des Niederschlags
Wichtig für die Entwicklung des Grundwassers ist nicht nur die Menge des
Niederschlags, sondern auch dessen Verteilung im Verlauf eines Jahres.
Normalerweise steht die Vegetation in den Sommermonaten in voller Pracht.
Die Wurzeln saugen den größten Teil des Niederschlags aus den oberen
Bodenschichten auf, sodass nur sehr wenig Wasser versickert und die
Grundwasserspeicher auffüllt. Das sogenannte Abflussjahr beginnt erst im
November. Die Vegetation ist dann zu großen Teilen inaktiv, das meiste
Regenwasser versickert und steht später als Grundwasser zur Verfügung.
In Deutschland deute sich eine Verschiebung der Niederschläge in die
Wintermonate an, sagt Fred Hattermann. Er forscht am Potsdam-Institut für
Klimafolgenforschung zu den Auswirkungen der Klimakrise auf den
Wasserhaushalt. Zwar müsse sich dieser Trend in den kommenden Jahren noch
verstärken, um langfristige Auswirkungen zu haben. Die Folgen seien aber
bereits 2023 sichtbar, so Hattermann: Der November war der
zweitniederschlagsreichste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Dadurch
konnten sich die Grundwasserspeicher besser erholen als in den Vorjahren.
Die von Hattermann beschriebene Verschiebung der Niederschlagsmengen in die
Wintermonate lässt sich mit den Daten des Deutschen Wetterdienstes zwar
noch nicht bundesweit eindeutig belegen. Aber viele Regionen entsprechen
dem Trend.
So zeigt die Messstation in Bad Bayersoien, einem Moorkurort im bayerischen
Landkreis Garmisch-Partenkirchen, eine deutliche Zunahme des Niederschlags
im November und Dezember 2023 sowie im Januar 2024. In diesen drei Monaten
regnete es 267 Liter pro Quadratmeter mehr als im langjährigen Mittel. Ein
ähnliches Muster zeigt sich in Hohenbostel in Niedersachsen. Dort lag der
Niederschlag zwischen November 2023 und Januar 2024 um 132 Liter pro
Quadratmeter über dem Wert der Referenzperiode. An beiden Orten ist
gleichzeitig eine deutliche Abnahme der Niederschläge in den Sommermonaten
zu beobachten.
## Ist also alles wieder gut?
Zunächst: Neben dem Klimawandel haben auch andere Faktoren Einfluss auf die
Entwicklung des Grundwassers. Vor allem im Rheinland und in der Lausitz
sorgt der Braunkohleabbau für massive Probleme. Damit die Tagebaue, die oft
unterhalb des natürlichen Grundwasserspiegels liegen, nicht volllaufen,
wird Grundwasser abgepumpt und zum Beispiel in Flüsse geleitet. Auch große
Chemiefabriken und die bewässerungsintensive Landwirtschaft haben einen
hohen Wasserbedarf. In den betroffenen Gebieten sinkt dadurch der
Grundwasserspiegel.
Fred Hattermann beurteilt die Lage trotz aller Einschränkungen „verhalten
optimistisch“. Durch die Niederschläge im vergangenen Herbst und Winter
habe sich das Grundwasser in Deutschland nach einigen Jahren der
Trockenheit wieder etwas erholt. „Es kommt jetzt sehr auf die
Niederschlagsentwicklung in den nächsten Jahren an“, wenn dieser Trend
sich fortsetzen soll. Zudem müsse über Maßnahmen nachgedacht werden, die
die Neubildung des Grundwassers unterstützen. Das kann beispielsweise der
Umbau von Städten zu [3][Schwammstädten] sein. Diese können bei starken
Regenfällen Wasser in unterirdischen Behältern zwischenspeichern und nach
und nach an den Boden abgeben.
Eine wichtige Rolle rechnet Hattermann auch den deutschen Wäldern zu. Die
Bäume seien nicht nur auf einen ausreichenden Grundwasservorrat angewiesen,
sondern [4][trügen auch zur Neubildung bei]. „Nadelbäume sind ganzjährig
grün. Deswegen bleibt gerade im Winter, wo sich Grundwasser neubilden
sollte, viel Wasser an den Nadeln hängen und verdunstet“, so Hattermann.
Der Umbau des Waldes von Nadelbaum-Monokulturen zu nachhaltigen
Mischwäldern würde sich also auch positiv auf den Grundwasserspiegel in
Deutschland auswirken.
Um jedoch aus dem Schätzen und Prognostizieren herauszukommen und die
Situation sicher beurteilen zu können, ist ein besserer Überblick über die
Grundwassersituation unabdingbar. Dies ist mit der derzeitigen Datenlage
weder mittelfristig noch gar tagesaktuell möglich.
3 Jul 2024
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