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Frankfurt taz | Wer verstehen will, wie heutzutage eine moderne Revolution
aussieht, kann in die Dominikanische Republik schauen. Der am vergangenen
Sonntag im ersten Wahlgang mit 57 Prozent der Stimmen wiedergewählte
Präsident [1][Luis Abinader] vertritt nämlich die Partei der „modernen
Revolution“.
Abinader ist die seriöse Form des argentinischen Präsidenten [2][Javier
Milei]. Ausfällig wird er nur gegen haitianische Migranten, ansonsten
predigt er den wirtschaftlichen Erfolg. Politik ist bei ihm geschrumpft zur
Lobpreisung des Tourismus.
Diese Branche hat sich am schnellsten von der Corona-Krise erholt. In der
Dominikanischen Republik macht sie mittlerweile den drittwichtigsten Posten
in den Staatseinkünften aus. Im vergangenen Jahr kamen mehr Touristen, als
das elf-Millionen Land Einwohner hat, und bescherten Rekordeinnahmen.
Von Deutschland aus kann man in zehn Stunden direkt nach Punta Canas an den
Karibikstrand fliegen. 1.000 Euro für eine knappe Woche all inclusive – und
im Resort trifft man dann die Mittelschicht aus Chile, China oder Ghana,
die sich dort den Traum von der Karibik erfüllt.
## Antihaitianischer Rassismus hat Tradition und Methode
2020 wurde offiziell festgestellt, dass die Dominikanische Republik nun zu
den Staaten mit mittlerem Durchschnittseinkommen zählt. Abinader verkündete
begeistert: „[3][Wir gehören nicht mehr zur Dritten Welt!]“ Seinen
Wahlerfolg verdankt er allerdings insbesondere seiner harten
Abschiebepolitik von haitianischen Migrantinnen und Migranten. Das
vergangene Jahr verzeichnete ein Rekordhoch zwischen 170.000 und 250.000
Abschiebungen, darunter tausende Minderjährige und Schwangere, die auch
nach dominikanischem Gesetz nicht deportiert werden dürfen.
Nach internationalen völkerrechtlichen Standards sind die Abschiebungen
ohnehin problematisch, weil in Haiti bewaffnete Gangs große Teile des
Landes beherrschen. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk,
kritisierte deshalb die dominikanische Abschiebepraxis: Abinader reagierte
empört und erklärte, er werde die Abschiebungen noch verschärfen. Unter
seiner Präsidentschaft wurde der [4][Bau einer Mauer] entlang der 340
Kilometer langen Grenze zu Haiti begonnen, die eine vollständige
Abriegelung auf dem Landweg gewährleisten soll.
In der Dominikanischen Republik hat der antihaitianische Rassismus
traditionsreiche Methode. Obwohl ein Großteil der Bevölkerung selbst von
Sklaven abstammt, hat es die weiße Oberschicht spätestens seit Diktator
Trujillo (1930-1961) verstanden, mit antihaitianischem Ressentiment die
eigene Bevölkerung „weißer“ zu machen.
Die Grundlage dafür legte Trujillo mit der Ermordung von 30.000
Haitianerinnen und Haitianern im Oktober 1937. Man nennt es auch das
Perejil-Massaker. Erschossen oder erdolcht wurden die, die das R im
spanischen Wort „Perejil“, Petersilie, nicht richtig aussprechen konnten.
## Ausbeutung der Haitianer wichtig für Billigtourismus
Dabei tragen die haitianischen Migranten erheblich zum Wirtschaftserfolg
bei. Erst arbeiteten sie [5][unter sklavenähnlichen Bedingungen auf den
Zuckerrohrplantagen]. Heute sind viele in der Baubranche tätig, die
wesentlich vom boomenden Tourismus lebt. Ihre prekäre Aufenthaltssituation
macht sie beliebt, da man sie manchmal nicht einmal bezahlen muss, wenn sie
nach einer Razzia oder nach Anruf des Arbeitgebers abgeschoben werden.
Der Billigtourismus in die Domrep verdankt sich wesentlich ihrer
Ausbeutung. Die dominikanische Baubranche, deren Korruption sprichwörtlich
ist, profitierte auch vom [6][Erdbeben in Haiti 2010]: Sie verdiente
Unsummen an der Beseitigung des Schutts, den das Erdbeben hinterlassen
hatte.
In seiner Siegesrede sprach Abinader zum ersten Mal nicht über das
„Migrationsproblem“, das wesentlich seinen Wahlkampf bestimmte. Manche
sahen darin ein Zeichen, dass er in dieser Frage einen Gang zurückschalten
werde. Schließlich ist Haiti der zweitwichtigste Handelspartner des Landes,
und es leben [7][Hunderttausende], vielleicht sogar eine Million Haitianer
zum Teil seit Generationen in der Dominikanischen Republik. Ihnen wurde
allerdings 2013 in einem beispiellosen Vorgang die Staatsbürgerschaft mit
der Begründung entzogen, wer zwischen 1929 und 2010 von
nicht-dominikanischen Eltern geboren wurde, müsse sie erneut beantragen.
Antihaitianische Xenophobie ist Teil des dominikanischen
Selbstverständnisses geworden. So schrieb Dan Foote, ehemaliger
Sonderbotschafter der USA für Haiti, nicht unbegründet zum Wahlsieg
Abinaders: „Jetzt kann man den Käfig über Haiti dichtmachen.“
23 May 2024
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