# taz.de -- Schach-Ikone Nona Gaprindashvili: Eine intellektuelle Revolution

> Nona Gaprindashvili aus Georgien war die erste Schachspielerin, die vom
> Weltverband den Titel Großmeisterin verliehen bekam. Über eine
> Nationalikone.
Wirklich überrascht dürften weder ihre Eltern noch ihre fünf Brüder gewesen
sein, dass aus [1][Nona Gaprindashvili] eines Tages die erste
Schach-Großmeisterin der Welt werden würde. Die Familie war schließlich, so
ist es überliefert, sehr aktiv. Neben Tischtennis, Billard und Fußball
wurde vor allem Schach gespielt. 1946, Nona war fünf Jahre alt, ließ sie
sich von ihrem Vater Schach erklären, was vielleicht zunächst aber auch nur
daran lag, dass sie beim Fußball als einziges Mädchen der Familie immer
bloß ins Tor gestellt wurde.

Als Nona mit 12 Jahren bei einem Schachturnier in Tiflis für einen
kurzfristig erkrankten Bruder einsprang, wurde ihr außergewöhnliches Talent
vom renommierten Schachtrainer Vakhtang Karseladze entdeckt. 1954 erlaubten
ihre Eltern, dass sie zu einer Tante in die Hauptstadt zog, um
professionell zu trainieren. Zwei Jahre später gewann sie als 14-Jährige
das Halbfinale der UdSSR-Frauenschachmeisterschaft. Als sie 1962 gegen
Bykowa um die Weltmeisterinnenschaft spielte, waren unter den Zuschauern
auch die Spieler ihres Lieblingsvereins Dynamo Tbilisi – bis heute ist Nona
Gaprindashvili großer Fußballfan.

Im Jahr 1975 spielte Nona gegen Nana Alexandria, ebenfalls aus Georgien,
was zu großer Begeisterung in Georgien führte – eine Parfümerie kreierte
sogar einen eigenen Duft namens „Nona und Nana“. Nona gewann acht der zwölf
Spiele gegen die neun Jahre jüngere Konkurrentin, und war nach Meinung von
Experten auf dem Höhepunkt ihrer Karriere angelangt.

Gewürdigt wurden ihre herausragenden Leistungen jedoch nicht immer: 1977
besiegte sie beim Turnier „Lone Pine International“ gleich vier männliche
Großmeister. Der Lokalzeitung Bulletin fiel dazu vor allem ein, dass sie
„eher wie ein Maurer denn wie eine Frau gebaut“ sei. Ihr sensationeller
Erfolg eben dort sorgte ein Jahr später dafür, dass sie die erste
Schachspielerin wurde, welcher der Weltverband Fide den Titel
[2][Großmeister] verlieh. Als technisch brillant, aggressiv und furchtlos
wurde der Spielstil von Nona in dieser Zeit beschrieben, Fans sagten gern,
dass sie spiele, um zu gewinnen. Wenn sie verlor, konnte sie stinkewütend
werden, aber das tat vor allem in Georgien der Begeisterung keinerlei
Abbruch.

## Ideale Nationalikone

In seinem Buch „Women in Chess“ schreibt der Autor John Graham, dass
Georgier und Georgierinnen oft zur Zielscheibe von russischem Rassismus
wurden (und werden), eine selbstbewusste Schachspielerin war daher die
ideale Nationalikone. In ihrem Buch „Chess Bitch Woman“
(„Schachschlampen“), beschreibt die US-Schachspielerin und Journalistin,
Jennifer Shahade, wie berühmt Nona wurde: Ihre Fans standen am Flughafen
Schlange, um sie bei der Rückkehr von Turnieren im Ausland zu begrüßen,
kleine Mädchen wollten plötzlich lieber Schachspielerinnen als Ballerinas
werden. In ihrer Heimatstadt wurde eine Statue zu ihren Ehren errichtet,
und zum 60. Geburtstag erhielt Nona von der georgischen Regierung zwei
Autos geschenkt.

Zwischen 1974 und 1985 wurde Nona fünfmal UdSSR-Meisterin, bei
Schach-Olympiaden gewann sie in den Achtzigern insgesamt 20 Goldmedaillen.
[3][Die Netflix-Serie „Queens Gambit“] ist teilweise auf ihrem Leben
aufgebaut, ohne sie zu nennen, weswegen sie 2021 Klage einreichte. 2022
einigten sich der Sender und die Schachspielerin außergerichtlich.

Für Schach interessiert sich die heute 82-Jährige immer noch, dazu geht sie
gern ins Theater und liebt Snooker, weil es Schach so ähnele, sagte sie
einmal. Die in Georgien geborene und als 20-Jährige in die USA
ausgewanderte Schach-Großmeisterin Rusudan Goletani findet, dass Nonas
Bedeutung aber weit über Schach hinausgehe. Sie habe vielmehr „eine
intellektuelle Revolution angestoßen“ und „alles auf den Kopf gestellt“.
Dass Nona Gaprindashvili regelmäßig Männer besiegte, habe gezeigt: „Wenn
Frauen gut im Schach sein konnten, dann würden sie in allem gut sein
können.“

24 Apr 2024

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## AUTOREN
Elke Wittich
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