# taz.de -- Streit um Albertus-Magnus-Professur: Bedrohte Wissenschaftsfreiheit

> Kölns Unirektor lädt die US-Philosophin Nancy Fraser aus, weil ihm deren
> Kritik an Israel zu weit geht. Wissenschaftler:innen sind entsetzt.
Berlin taz | „Mit großem Bedauern teilen wir ihnen mit, dass die
Albertus-Magnus-Professur 2024 mit [1][Nancy Fraser] nicht wie geplant
stattfinden wird“, erklärt die Universität Köln auf ihrer Webseite. Alle
ursprünglich zwischen dem 15. und 17. Mai geplanten Veranstaltungen würden
entfallen. Die Begründung: Die Uni hat die bekannte US-Philosophin
ausgeladen, weil ihr deren Kritik an Israel zu weit geht.

Konkret macht sie Fraser ihre Unterschrift unter den offenen Brief
„Philosophy for Palestine“ zum Vorwurf. In dem Brief werde „das
Existenzrecht Israels als ‚ethno-suprematistischer Staat‘ seit seiner
Gründung 1948 faktisch infrage gestellt“, heißt es in einer
[2][Stellungnahme der Universität], die am vergangenen Freitag
veröffentlicht wurde. Der Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober
2023 werde zudem „in rechtfertigender Weise relativiert“, so ein weiterer
Vorwurf. Außerdem würde der Brief „zum akademischen und kulturellen Boykott
israelischer Institutionen“ aufrufen.

Der umstrittene Brief [3][„Philosophy for Palestine“] war im November
veröffentlicht worden, bis heute haben ihn 200 Wissenschaftler
unterschrieben, darunter Koryphäen wie Etienne Balibar, Angela Davis, Owen
Flanagan und Judith Butler. Der Brief hatte aber auch [4][heftige Kritik
auf sich gezogen], unter anderen von der türkisch-amerikanischen
[5][Politikwissenschaftlerin und Philosophin Seyla Benhabib]. In Köln hatte
man davon offenbar nichts mitbekommen. Erst nachdem im März die Einladungen
versandt worden waren, kam aus der Fakultät ein Hinweis darauf.

„In Anbetracht Ihrer Unterstützung für diese Erklärung sehe ich mich zu
meinem Bedauern gezwungen, auf meine Einladung zu verzichten“, schrieb
Kölns Universitätsrektor Joybrato Mukharjee daraufhin an Fraser. „Ich bin
gerne bereit, Ihnen die Gründe für diese Entscheidung in einem
Telefongespräch oder per Videoanruf mitzuteilen.“

## Persönliche Entscheidung des Kölner Unirektors

Der Anglist Mukherjee, der auch Präsident des Deutschen Akademischen
Austauschdienstes (DAAD) ist, vertritt die deutsche Staatsraison sehr
engagiert. Im Januar lud er etwa den israelischen Botschafter Ron Prosor,
einen rechten Hardliner, zu einem Vortrag an die Universität ein. Proteste
versuchte Mukherjee schon im Vorfeld zu unterbinden. Gegen drei
Studierende, die sich zu der Veranstaltung angemeldet hatten, verhängte er
deshalb ein befristetes Hausverbot. Das Kölner Verwaltungsgericht gab einem
Eilantrag der Studierenden nach und kippte das Hausverbot rechtzeitig.

Mukherjee persönlich hat jetzt auch die Entscheidung getroffen, Fraser
auszuladen. Die Albertus-Magnus-Professur sei „eine zentrale Angelegenheit
des Rektors“ mit großer Symbolkraft und werde als „besondere Auszeichnung“
der Universität wahrgenommen, heißt es in der Stellungnahme der
Universität. Die Aussagen im Brief der Philosoph:innen seien mit der
Haltung der Universität und „mit unseren intensiven Beziehungen zu
israelischen Partnerinstitutionen nicht vereinbar“. Pikanterweise ist
Fraser – wie etliche Unterzeichner:innen – jüdischer Herkunft, was die
Uni und ihren Rektor aber nicht weiter beirrt.

Dabei hat sich Fraser der Kritik an dem offenen Brief schon im November in
einem [6][Interview mit dem österreichischen Standard] gestellt. Sie
kritisierte darin „die Brutalität und abstoßende Gewalt des Anschlags, den
Hamas-Attentäter am 7. Oktober begangen haben“, und bestritt auch nicht
Israels Existenzrecht. Schwerer wiegt allerdings wohl, dass Fraser in dem
offenen Brief den akademischen Boykott israelischer Institutionen
befürwortete, den Mukherjee ablehnt.

## Protest von Wissenschaftler:innen

Zahlreiche Wissenschaftler:innen zeigen sich über die Kölner Ausladung
von Nancy Fraser entsetzt. Das sei ein „weiterer Versuch, die öffentliche
und wissenschaftliche Diskussion zu Israel und Palästina unter Verweis auf
vermeintlich eindeutige und regierungsamtlich definierte rote Linien
einzuschränken“, schreiben [7][in einer gemeinsamen Stellungnahme] mehr als
30 Professor:innen.

Wissenschaftler:innen, „die vermeintlich problematische Positionen
vertreten“, sollen aus der Diskussion ausgeschlossen werden, „auch wenn
sich, wie im Fall Nancy Frasers, weder ihre eigene Arbeit noch die
geplanten Veranstaltungen überhaupt mit dem Konflikt in Israel und
Palästina befassen“, kritisieren sie.

Zu den Unterzeichner:innen gehören die Philosophinnen Alice Crary,
Sally Haslanger, [8][Rahel Jaeggi], Andrea Maihofer und Julia Rebentisch
sowie die Soziologen Klaus Dörre, Axel Honneth, Stephan Lessenich, Oliver
Nachtwey und Hartmut Rosa. Mit dabei ist auch Seyla Benhabib.

Das Vorgehen des Kölner Rektorats widerspreche dem hohen Gut der
Wissenschaftsfreiheit sowie dem internationalen Austausch, heißt es in der
Stellungnahme. Die Wissenschaftler:innen forderten Mukherjee auf,
seine Ausladung wieder zurückzunehmen, ansonsten würde das „dem
akademischen Leben hierzulande weiteren schweren Schaden“ zufügen.

## Nicht der erste Fall

Auch in den sozialen Medien schlägt der Fall hohe Wellen. Er markiere
„einen neuen Tiefpunkt“, schrieb Lucio Baccaro, Direktor am Kölner
Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, am Freitag auf Facebook.
„Ich kann mir keine deutlichere Bedrohung der akademischen und allgemeinen
Freiheit vorstellen.“ Der Jurist Ralf Michaels, Direktor am
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in
Hamburg, nannte die Vorwürfe gegen Fraser auf der Plattform X „falsch“ und
„ehrenrührig“.

Bereits im Februar gab es einen ähnlichen Fall. Da hatte die
Max-Planck-Gesellschaft sich von dem renommierten
libanesisch-[9][australischen Anthropologen Ghassan Hage] getrennt, den sie
erst 2023 als Gastforscher an ihr Institut in Halle eingeladen hatte.

Nach dem 7. Oktober äußerte sich Hage in den sozialen Medien wütend über
den Gaza-Krieg und seine Opfer. Die Max-Planck-Gesellschaft befand deshalb
in einer [10][Presseerklärung], er habe mit seinen Äußerungen „die
Wissenschaft beschädigt“, weshalb man die Zusammenarbeit mit ihm beendet
habe. Hage hat angekündigt, juristisch gegen seinen Rausschmiss vorzugehen.

7 Apr 2024

## LINKS
[1] /Neues-Buch-ueber-Gegenwartskapitalismus/!5918463
[2] https://portal.uni-koeln.de/universitaet/aktuell/presseinformationen/detail/absage-der-albertus-magnus-professur-2024
[3] https://drive.google.com/file/d/1N22Q0oCpwmIrCiW6yZYe1JunyPr1Tt0r/view
[4] /Ueber-Philosophy-for-Palestine/!5969264
[5] https://www.blaetter.de/ausgabe/2023/dezember/die-hamas-ist-keine-befreiungsbewegung
[6] https://www.derstandard.at/story/3000000194979/us-philosophin-nancy-fraser-niemand-verharmlost-hamas
[7] https://criticaltheoryinberlin.de/interventions/stellungnahme-zur-ausladung-von-nancy-fraser-von-der-albertus-magnus-professur-an-der-universitaet-zu-koeln/
[8] /Rahel-Jaeggi-zu-Philosophie-und-Wandel/!5937545
[9] /Antisemitismus-und-die-Palaestina-Frage/!5732013
[10] https://www.mpg.de/21510533/stellungnahme-ghassan-hage
## AUTOREN
Daniel Bax
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