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Als die DC-9 der Fluglinie Southern Airlines am 4. April 1977 von der
Andrews Air Force Base in Maryland abhob, war den Insassen der Maschine
nicht klar, wie sie in Kuba empfangen werden. Würde man die Amis links
liegen lassen, gar mit Verachtung strafen? Es kam anders.
Die Kubaner hatten in Havanna buchstäblich einen roten Teppich für den
Klassenfeind ausgerollt. Über das Textil schritten nicht nur die beiden
demokratischen US-Politiker George McGovern und James Abourezk, Vertreter
des Bundesstaates South Dakota im US-Senat, sondern auch ein Dutzend
Basketballspieler der South Dakota State University in Brookings und der
University of South Dakota in Vermillion: Basketball-Diplomaten der zweiten
Basketball-Studentenliga NCAA.
[1][Die Ping-Pong-Diplomatie] ist jedem politisch Interessiertem ein
Begriff, also die politische Annäherung Chinas und der Vereinigten Staaten
in den 1970er Jahren mit Hilfe des Tischtennissports. Der Sport sollte dort
Brücken bauen, wo die Politik versagte. Und so war es auch im Jahr 1977,
als der demokratische US-Präsident Jimmy Carter die Bemühungen der beiden
Senatoren aus South Dakota von höchster Stelle aus absegnete.
Die Pläne, Basketballspieler nach Kuba zum Zweck der politischen
Entspannung zu schicken, war nicht neu. Auch unter der Präsidentschaft des
Republikaners Gerald Ford wurde sie durchdacht, aber als Kuba 1975 Truppen
zur Unterstützung der People’s Movement for the Liberation of Angola
(MPLA), einer linksextremen Guerilla, entsandte, wurde das Projekt auf Eis
gelegt.
## Gespräche mit „charmantem“ Castro
Der Regierungswechsel in Washington ermunterte Abourezk und McGovern, ihre
Kuba-Idee neu aufzulegen. Sie waren zu diesem Zeitpunkt schon mehrfach auf
die von den USA mit einem Embargo belegte Insel gereist, hatten
stundenlange Unterredungen mit dem Máximo Líder, Fidel Castro. Sie
unterhielten, wie sie später schilderten, durchaus freundschaftliche
Beziehungen zu Castro, einem Baseball-Aficionado, der aber auch etwas mit
Basketball anfangen konnte; beide Sportarten hatte er in seiner Jugend
ausprobiert. Als Castro 2016 starb, sagte Abourezk, Castro sei für die USA
ein schwieriger Partner gewesen, aber ein guter Staatschef für Kuba: „Er
war ein charmanter und kluger Typ.“
[2][Mit der Baseball-Diplomatie] ging es auf einem sportpolitischen
Nebengleis freilich nicht so gut voran: Im Mai 1971, nur einen Monat nach
der Tischtennisreise nach China, wollte der gebürtige Kubaner und Manager
der San Diego Padres, Preston Gómez, eine ähnliche Mission anstoßen: Er
versuchte ein Team von Allstars der Major League Baseball nach Kuba zu
lotsen. Gómez, der die Havana Sugar Kings 1959 zum Sieg bei der Junior
World Series geführt hatte, bekam 1970 von der kubanischen Regierung die
Erlaubnis, sein Heimatland zu besuchen, um den kranken Vater zu sehen.
Gómez traf sich mit Regierungsvertretern in Havanna, doch das
US-Außenministerium blockierte den Vorstoß.
Auch vier Jahre später kam Gómez nicht weiter. Dennoch fand ein Austausch
auf kleinster Sportebene statt: die US-Volleyballmannschaft der Herren
reiste 1972 zu einem Olympia-Qualifikationsturnier nach Kuba, und auch
US-Boxer und Fechter landeten in Havanna – kein Vergleich allerdings zu den
Basketball-Missionaren, die von einer 42-köpfigen Entourage begleitet
wurden. Die Frauen der Politiker reisten 1977 mit, der Sportchef der South
Dakota State Uni, Dave Martin, ein Mitbegründer der Miami Dolphins, Joe
Robbie, Medienvertreter sowie etliche Touristen. Sie hatten sich zum
Schnäppchenpreis von 600 Dollar eingekauft, um das nahe und doch so ferne
Kuba zu sehen.
Pikant auch, dass zwei Stewardessen und ein Kapitän der
Southern-Airlines-Maschine schon einmal in Havanna gelandet waren –
allerdings als Opfer einer der in dieser Zeit häufigen
Flugzeugentführungen.
## Geschmackloser Scherz
Noch auf dem Flughafen von Havanna gab’s einen ersten Umtrunk, Daiquiris
wurden gereicht, Gesprächsstoff war reichlich vorhanden, und Senator
McGovern verstieg sich zu dem etwas geschmacklosen Scherz, die Reisegruppe
aus South Dakota sei wohl die größte US-Truppe, die seit der Invasion in
der Schweinebucht auf Kuba gelandet sei. Dann wurde es endlich sportlich:
Vor dem Anwurf am Folgetag wurden die Nationalhymnen gespielt, und jeweils
15.000 Zuschauer im Kolosseum von Ciudad Deportiva zeigten Sportsgeist:
Sehenswerte Aktionen der Gäste wurden ebenso beklatscht wie Korbleger von
Ruperto Herrera Tabio, Félix Morales oder Alejandro Urgellés. In der ersten
Begegnung, die 91:72 endete, war das College-Team ebenso chancenlos gegen
olympiaerfahrene Kubaner wie in der zweiten Partie. Das karibische Team
gewann wieder mit 19 Punkten Vorsprung: 88:69.
Die US-Delegation genoss danach einen netten Urlaub an den kubanischen
Stränden, man traf die besten kubanischen Sportler, zum Beispiel den
olympischen Goldläufer Alberto Juantorena oder Boxer Teófilo Stevenson,
besuchte eine Baseballfabrik, Bauernhöfe und eine Senioreneinrichtung. Die
Uni-Sportler logierten kostenfrei im Marazul-Hotel in Santa Maria Del Mar,
verteilten aber auch ihrerseits reichlich Geschenke: vor allem Jeanshosen
in allen Größen.
[3][Fidel Castro] selbst verpasste die historischen Basketballspiele. Er
weilte seinerzeit in Moskau. Bruder Raúl vertrat ihn, führte Gespräche mit
den US-Senatoren. Das kubanische Basketballteam, immerhin
Bronzemedaillengewinner bei den Olympischen Spielen von München, reiste im
September 1977 zu einem Gegenbesuch in die USA. Die Delegation gewann
erneut gegen die Teams aus South Dakota, trat auch gegen Holy Cross und
andere College-Mannschaften an.
Dass die Idee, verfeindete Nationen einander näherzubringen, damals nicht
so recht fruchtete, beweist ein mehr als verunglückter Kommentar des
damaligen Uni-Präsidenten von South Dakota, Chuck Lein: „Vereinfacht
gesagt, sahen sie (die kubanischen Basketballer) aus wie ein Haufen
kommunistischer Idioten.“ Kein Wunder, dass die Basketball-Diplomatie im
Sand verlief.
17 Mar 2024
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