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Berlin taz | Es ist [1][das größte Terrorverfahren in der Geschichte] der
Bundesrepublik. Schon vor einem Jahr war die Bundesanwaltschaft gegen eine
Gruppe putschverdächtiger Reichsbürger um den Frankfurter Unternehmer
Heinrich Prinz Reuß vorgegangen. Ermittelt wird gegen fast 70 Beschuldigte,
27 wurden festgenommen, knapp 400 Waffen beschlagnahmt. Nun bestätigte die
Bundesanwaltschaft, dass sie Anklage gegen die 27 Festgenommenen erhoben
hat.
Den Angeklagten werfen die obersten Strafverfolger [2][Mitgliedschaft oder
Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor], teils auch Hochverrat
und Verstöße gegen das Waffenrecht. Wegen der großen Zahl der Angeklagten
soll vor gleich drei Oberlandesgerichten verhandelt werden: in
Frankfurt/Main, Stuttgart und München.
Die Kerngruppe um Heinrich Prinz Reuß wird sich in Frankfurt/Main
verantworten müssen. Dort mitangeklagt sind dessen Partnerin Vitalia B.,
die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin Birgit
Malsack-Winkemann, der frühere Polizist Michael F. oder die einstigen
Soldaten Rüdiger von P., Maximilian Eder und Peter W..
Heinrich Prinz Reuß und Rüdiger von P. sollen dabei die Putschgruppe
angeführt haben. Ende Juli 2021 hätten beide mit Maximilian Eder und Peter
W. die Gruppe gegründet, mit dem Ziel eines gewaltsamen Umsturzes. Die
Anklagten seien einem „Konglomerat aus Verschwörungsmythen“, [3][darunter
die QAnon-Ideologie], gefolgt und hätten eine „tiefe Ablehnung der
staatlichen Institutionen“ geteilt, so die Anklage. Sie hätten geglaubt,
dass Deutschland von einem „Deep State“ regiert werde, der von einer
„Allianz“, einem Geheimbund aus ausländischen Regierungen,
Nachrichtendiensten und Militärs befreit werden müsse.
## Tötung von Menschen eingepreist
Dafür habe die Gruppe auf ein Signal der „Allianz“ für einen „Tag X“
gewartet, [4][den Tag des Umsturzes.] Als ein Zeichen wurde hier etwa der
Tod der britischen Queen Elizabeth II. diskutiert. Für den „Tag X“ seien
bereits Feindeslisten von Politiker*innen erstellt worden. Für ihren
Umsturz sei auch die Tötung von Menschen eingepreist gewesen, so die
Anklage.
Auch ein [5][bewaffneter Sturm auf den Bundestag] war laut Anklage
vorgesehen, bei dem Abgeordnete festgenommen werden sollten. Mithilfe der
damaligen AfD-Abgeordneten Birgit Malsack-Winkemann hätten Maximilian Eder,
Peter W. und Harald P. dafür im August 2021 das Parlament bereits
ausgekundschaftet. Auch später soll Malsack-Winkemann der Gruppe
Informationen über Termine von Ausschüssen oder des Plenums übermittelt
haben. Auch soll sie versucht haben, weitere Gruppenmitglieder anzuwerben.
Der frühere sächsische AfD-Stadtrat Christian W. sollte für den
Bundestagsangriff Waffen besorgen. Auch die frühere AfD-Aktivistin Ruth L.
sei in den Plan involviert gewesen.
Für die Zeit [6][nach dem Umsturz habe die Gruppe] bereits einen
selbstgeschaffenen „Rat“ gebildet, der sich auf dem Anwesen von Heinrich
Prinz Reuß in Thüringen traf, dem Jagdschloss Waidmannsheil. Reuß selbst
sei dabei der Vorsitzende des „Rats“ gewesen. Er sei für eine Übergangszeit
als Staatsoberhaupt vorgesehen gewesen und sollte „Friedensverträge“ mit
den früheren Allierten Staaten, allen voran Russland, aushandeln. Im
Februar 2022 sei Reuß dafür eigens in die Slowakei gefahren, um russische
Vertreter zu treffen.
Im Juni 2022 besuchte er das russische Generalkonsulat in Leipzig, auf
Vermittlung seiner russischen Lebensgefährtin Vitalia B. Für die Gruppe
habe er zudem Satellitentelefone besorgt und fast 1.000 Schuss Munition
gebunkert. Rüdiger von P. wiederum sei Leiter des „militärischen Arms“ der
Gruppe gewesen. Er habe die Idee von „Heimatschutzkompanien“ ersonnen,
bundesweit waren 286 Einheiten geplant. Eine davon mit dem Namen „Nr. 148
Jena, Saale, Holzland Kreis, Saale-Orla-Kreis“, geleitet vom Angeklagten
Norbert G. sah sich bereits einsatzbereit. Bei G.s Festnahme wurden mehrere
Waffen beschlagnahmt. Auch Anführer Rüdiger von P. habe illegal eine
Makarov-Pistole und Munition besessen und intensiv um neue Mitglieder
geworben.
## Zwischen Wahn und Bedrohung
Sein Adjutant sei der Bayer, frühere Fallschirmjäger und Survivalcoach
Peter W. gewesen, der ebenfalls Mitglieder rekrutiert und ein
Schießtraining organisiert habe. Zum militärischen Arm habe auch der
frühere Oberst Maximilian Eder gehört, der weitere Soldat*innen zu
rekrutieren versuchte und Schießtrainings vorbereitet habe. Auch der Sachse
und frühere AfD-Stadtrat Christian W. wird dem Arm zugerechnet, zuständig
für Waffenbeschaffung. W. habe bereits mehrere Lang- und Kurzwaffen besorgt
und ebenfalls ein Schießtraining organisiert.
Auch der Rottenburger Markus H. habe diesem Arm angehört, der –
ausgestattet mit einer Fluglizenz – für „Luftunterstützungsaufgaben“
eingeteilt gewesen sei. Das noch aktive Mitglied des Kommando Spezialkräfte
der Bundeswehr in Calw, Andreas M., gehörte ebenso dazu und verschaffte der
Gruppe Zugang zu Bundeswehrliegenschaften. Der bereits wegen seiner
Teilnahme an Coronaprotesten suspendierte Polizist Michael F. habe wiederum
Polizisten angesprochen.
Für ihren „Rat“ habe die Gruppe zudem bereits künftige Ressorts vergeben
gehabt. Rüdiger von P. sei fürs „Militär“ zuständig gewesen, der Polizist
Michael F. für „Inneres“, die Hausärztin Melanie R. für „Gesundheit“, der
Jurist Paul G. für „Äußeres“, die AfD-Richterin Malsack-Winkemann für
„Justiz“ oder Ruth L. für „Transkommunikation“, die neue Mitglieder
spirituell überprüfen sollte. Auch eine Abteilung für „Menschenwesen“ sei
geplant gewesen, unter Leitung von Tomas M., das als Militärgericht
fungieren sollten, auch mit Verhängung von Todesstrafen.
Zudem habe der Ex-Zeitsoldat Marco van H. als „Verbindungsoffizier“
fungiert, weil er behauptete, in direktem Kontakt mit der „Allianz“ zu
stehen. Der QAnon-Verschwörungsanhänger Alexander Q. wiederum sei eine Art
Sprecher gewesen und habe auf seinem reichweitenstarken Telegramkanal
Inhalte über die „Allianz“ und deren bevorstehendes Einschreiten
verbreitet. Er habe vorgehabt, künftig den Bundeswehrsender Andernach zu
übernehmen.
## Fast 400 Schusswaffen, 148.000 Munitionsteile
Wie ernst es der Gruppe gewesen sei, zeigten laut Anklage die Waffenfunde.
Demnach habe die Gruppe am Ende über rund 380 Schusswaffen verfügt, zudem
über fast 350 Hieb- und Stichwaffen und mindestens 148.000 Munitionsteile.
Dazu kamen ballistische Helme, schusssichere Westen, Nachtsichtgeräte oder
Handfesseln. Zudem hatte die Truppe rund 500.000 Euro eingesammelt. Allein
der Mitangeklagte Hans-Joachim H. habe davon 160.000 Euro eingezahlt.
Heinrich Prinz Reuß habe 50.000 Euro beigesteuert, die Ärztin Melanie R.
47.000 Euro und die frühere „Basis“-Politikerin Johanna F.-J. sammelte von
einer Person aus ihrer Familie 150.000 Euro ein.
Auch habe die Gruppe bereits konkret Bundeswehrkasernen ausgekundschaftet
und intensiv versucht, aktive oder ehemalige Angehörige von Bundeswehr oder
Polizei anzuwerben. Mitglieder und Interessenten mussten zudem eine
Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen. Würde diese gebrochen, wurde die
„Todesstrafe“ angedroht. Und als Polizisten im März 2022 den nun ebenfalls
angeklagten Markus L. in Reutlingen durchsuchen wollten, schoss dieser mit
einem halbautomatischen AR15-Gewehr auf Polizisten und verletzte zwei
Beamte. Ein Polizist erlitt dadurch dauerhafte Gesundheitsschäden.
Neben den zehn Angeklagten in Frankfurt/Main sind acht weitere Beschuldigte
vor dem Oberlandesgericht München angeklagt und neun vor dem
Oberlandesgericht Stuttgart. Das Frankfurter Gericht bestätigte am Dienstag
den Eingang der Anklage. Man prüfe nun im Zwischenverfahren die Zulassung
der Anklage, was sich einige Monate ziehen könne, erklärte eine Sprecherin.
Einer der Verteidiger, Martin Heynert, wies am Dienstag die Vorwürfe
zurück. Sein Mandant, der Ex-Polizist Michael F., habe zwar tatsächlich an
die „Allianz“ geglaubt, sich aber lediglich auf einem möglichen
Machtwechsel vorbereitet. „Er wollte sich selbst an keinem Umsturz oder an
Gewalt beteiligen.“ Dies habe Michael F. vor den Ermittlern erklärt und
werde es so auch vor Gericht aussagen. Auch andere Verteidiger hatten die
Vorwürfe zuletzt zurückgewiesen.
12 Dec 2023
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