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Nürnberg und Berlin taz | Pawlo Schwarz tritt mit einem
bescheiden-pastoralen Lächeln auf die Bühne der Stephanus-Kirche in
Nürnberg. Er ist Bischof der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche der
[1][Ukraine], aus Charkiw, der zweitgrößten Stadt des Landes. Mit
hellblauem Hemd mit Kollar, einer dunklen Hose, mit kurzen Haaren und einem
sauber rasierten Bart. Nur eine einfache, silberne Uhr schmückt sein
Handgelenk. In der tragenden Atmosphäre der reichgeschmückten Nürnberger
Kirche wirkt er wie ein laufendes lutheranisches Understatement.
Auch seine Familie ist da. Am Vortag waren sie im Lego-Park, erzählt
Michael Wolf, Referent für Kirchenentwicklung in der bayrischen
Landeskirche. Er war selbst drei Jahre auf der Krim, „als sie noch
ukrainisch war“. Wolf spricht über die schweren „humanitären
Herausforderungen in diesem schrecklichen Angriffskrieg“. Bischof Schwarz
nickt besonnen.
Sprechen wird er gleich über das Wunder der Hochzeit zu Kana – wie Jesus
Wasser zu Wein machte. Er fängt seine Bibelarbeit an, wie es die Gemeinden
in der Ukraine jeden Morgen tun: mit einer Schweigeminute. Zeit, denen zu
gedenken, die nicht mehr bei uns sind. Zeit, für die Gefallenen zu beten.
Immer wieder betont er die Gemeinsamkeiten und bringt die Menschen mit
Fragen zum Lachen: Wer nicht gern die Kraft haben würde, Wasser zu Wein zu
verwandeln. „Ich habe keine Ahnung, wann der Krieg zu Ende ist, aber ich
bin dankbar für eure Unterstützung“, sagt er, ohne sein Lächeln zu
verlieren.
In den vergangenen Tagen hat sich die Lage in der Ukraine nochmals
verschärft. Nach der [2][gezielten Sprengung des Kachowka-Staudamms] öffnen
die Gemeinden im Osten des Landes ihre Türen für Betroffene. Menschen, die
seit Langem in besetzten Gebieten leben, verlieren ihre Häuser.
## Beten unter Beschuss
Die Gemeinden, sagt Schwarz, machen selbst im Kriegsgebiet, selbst unter
Beschuss weiter: „Die Situation in der Ukraine ist sehr schwer, weil der
Krieg schwer ist. Eine unserer Gemeinden befindet sich unter Besatzung.
Viele sind geflüchtet, auch nach Deutschland.“
Man könne lange darüber sprechen, wie es ist, unter Besatzung zu leben,
aber ihm ginge es trotz aller dieser Geschichten darum, was die Kirche und
der Glauben konkret bewirken können. „Dieser Krieg hat dem Glauben die
Möglichkeit gegeben, eine starke Stütze in der Not zu sein. Er hat uns die
Möglichkeit gegeben zu spüren, dass wir Teil einer großen Gemeinschaft
sind, in der wir anderen dienen können.“
Die Evangelische Kirche in Deutschland verurteilt den russischen
Angriffskrieg und ist für das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine. Ob
Waffenlieferungen, auch aus Deutschland, der richtige Weg zum Frieden sind,
darüber herrschen indes geteilte Meinungen. Auf dem Kirchentag wird dieser
Frage daher viel Raum gegeben.
## „Es ist auch Zeit für Waffen“
Am Freitag etwa trifft Deutschlands oberster Soldat, der Generalinspekteur
der Bundeswehr Carsten Breuer, auf den Friedensbeauftragten der EKD,
Bischof Friedrich Kramer, der sich gegen Waffenlieferungen ausgesprochen
hat. Auch sonst versammeln sich auf dem Kirchentag eher
Rüstungsgegner:innen als Befürworter:innen.
Für Irritationen hatte daher die Ansage von Bundespräsident Frank-Walter
Steinmeier am Mittwochabend gesorgt: [3][„Neben all den anderen
Anstrengungen, es ist auch Zeit für Waffen.“] Er bekam Zwischenrufe – und
Applaus.
Die ukrainischen Lutheraner setzen sich anders für den Frieden ein: Sie
beten „für die Vertreibung des Aggressors“ und für die Zuführung gerechter
Strafen, dazu rufen sie zum Militärdienst auf. Aber auch die diakonische
Arbeit ist zentral: Seit Beginn des Angriffskriegs sammeln die Gemeinden
Lebensmittel und organisieren Hilfstransporte. Sie versorgen Geflüchtete
und organisieren Unterkünfte.
Trotzdem müssen sie angesichts des Leids bescheiden bleiben. Ob Menschen
das Reich Gottes auf Erden aufbauen können, müssten Evangelisch-Lutherische
immer verneinen, so Schwarz – sie seien Sünder. „Aber in der Praxis können
wir es versuchen, um das Reich Gottes näher zu holen“.
8 Jun 2023
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