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Selbstverständlich bemerke auch ich den quasireligiösen Gestus mancher
Mitglieder der Letzten Generation. Und ja, ich finde ihn mitunter
unangenehm. Dennoch: Ich habe nichts gegen ihre letztlich ja nur mäßig
radikalen Aktionen.
Zudem scheint mir das Gejammer vieler Autofahrer albern zu sein: Selbst im
unblockierten Alltag kommen die Automobilisten mit ihren Karren oft nicht
voran, weil der Verkehr sich selbst zum Erliegen bringt. Fahren sie dann
doch mal, cruisen sie im Anschluss stundenlang auf Parkplatzsuche durchs
Wohnviertel. Werden also quasi von ihren Mitparkern blockiert. Was soll
also die Aufregung um ein paar Leute, die den üblichen Verkehrswahnsinn nur
geringfügig wahnsinniger machen? Auf alle Fälle habe ich beschlossen, die
Letzte Generation mindestens so lange zu verteidigen, wie die
Kampagnenmaschine im Axel-Springer-Haus gegen sie rattert.
„Aktivisten von der Fahrbahn loszureißen & wegzutragen ist eindeutig
zulässig, auch wenn das wegen des Klebers zu erheblichen Handverletzungen
führen sollte.“ Das twitterte kürzlich Ulf Poschardt, die
Strafrechtsprofessorin Elisa Hoven zitierend. Dem Zitat stellte der
WeltN24-Chefredakteur allerdings einen Satz voran: „notwehr ist keine
selbstjustiz.“ Im bekannten Poschi-Kleinschreib, wodurch er klarmachte: Das
ist seine Meinung, seine Schlussfolgerung aus den Äußerungen Hovens.
Noch mal ganz deutlich: In einer Situation, in der immer mehr Autofahrer
glauben, sie hätten das Recht, gewaltlose Demonstranten zu treten, zu
schlagen oder anzufahren, findet Poschardt es offensichtlich legitim, wenn
Blockierer „erheblich“ verletzt werden. Notwehr eben.
## Heute nicht mehr derselbe wie damals
„Ich glaube, dass Springer damals … oft journalistische Standards verletzt
hat. Und sicherlich auch ein gesellschaftliches Klima erzeugt hat, in dem
Aggressionen in bestimmten Schichten der Bevölkerung gegen … diese Bewegung
verstärkt wurden.“ So gab Poschardts Chef Mathias Döpfner vor einiger Zeit
herumeiernd zu, dass Springer an den Schüssen auf Rudi Dutschke im Jahr
1968 eine Mitschuld trägt.
Aber der Springer-Verlag von heute sei nicht mehr der Verlag von damals,
betont Döpfner. Stimmt. Im Gegensatz zu damals heizen keine Reaktionäre mit
Kriegshintergrund die Stimmung gegen die Demonstranten an. Die heutigen
Aggressionsverstärker sind enthemmte Pop-Liberale, die vor allem beleidigt
sind, dass es Menschen gibt, die sie und ihre Statussymbole einfach nur
albern finden.
Noch mal @ulfposh: „bürgerkinder als neid-brigaden – weil es bequemer ist
zu randalieren und vom elfenbeinturm bejubelt zu werden, als hart zu
arbeiten um sich prada, rolex oder louis vuitton zu gönnen.“ Ulf Poschardt
beweist jeden Tag aufs Neue, dass es möglich ist, mehr FDP-Klischee zu sein
als Christian Lindner himself. Respekt!
26 Apr 2023
## AUTOREN
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