# taz.de -- Ramadan und die Deutschen: Sie blicken's einfach nicht

> Jedes Jahr wieder stellen mir meine deutschen Freunde schräge Fragen zum
> Ramadan. Ich habe es aufgegeben, sie aufklären zu wollen.
Liebe Leser, am Freitag ist der Ramadan zu Ende und ich bin es leider auch.
Aber nicht vor Hunger wegen des Fastens, sondern mit den Nerven vor lauter
Ärger! Jedes Jahr kriege ich erst die Krise, dann den ultimativen
Ramadan-Überdruss!

Eigentlich ist der [1][Sinn von Ramadan] ja, dass man einen Monat lang
jeden Tag fastet, seinen Körper reinigt und dadurch endlich mal zur
Besinnung kommt und an die vielen hungernden Menschen denkt, denen es nicht
so gut geht wie unsereinem!

Bei mir bewirkt der [2][Ramadan] aber zusätzlich, dass mir auf schmerzliche
Weise bewusst wird, dass aus mir niemals weder ein halbwegs guter
Vermittler noch ein halbwegs brauchbarer Zeitungskommentator werden kann.

Die Menschen hierzulande verstehen mich nämlich nicht. Besonders jene
Menschen nicht, die der [3][deutschen Leitkultur]-Gesellschaft angehören.
Die Deutschen bringen mich nämlich jedes Jahr pünktlich zum Ramadan zur
Raserei! Seit 40 Jahren erkläre ich es allen meinen teutonischen Nachbarn
und Bekannten aus unserer Straße und allen meinen Kumpels in Halle 4 mit
Engelsgeduld, was Ramadan ist. Und dass man lediglich von Sonnenaufgang bis
Sonnenuntergang nichts essen und trinken darf. Danach aber reinhauen kann.
Trotzdem werden mir regelmäßig jedes Jahr in der Fastenzeit die gleichen
skurrilsten Fragen gestellt:

„Osman, stimmt es, dass die Moslems 24 Stunden lang nichts essen und
trinken dürfen?“

„Osman, wie haltet ihr es denn 30 Tage lang ohne Nahrung aus? Ich würde auf
der Stelle krepieren!“

„Im Ramadan dürfen die Moslems doch überhaupt kein Schweinefleisch essen,
nicht wahr?“

„Während des Fastens ist Alkoholtrinken eine große Sünde, stimmt’s? Nicht
mal Bier. Ich kenne mich da aus.“

„Osman, du Ärmster. Darfst du denn während des Ramadans nicht mal mit der
eigenen Frau Eminanim schlafen?“ Und wiederum andere kommen mit nicht ganz
ernstzunehmenden Verbesserungsvorschlägen:

„Osman, mein lieber Freund, ich finde, dass Brigitte-Diät viel besser ist
als deine Ramadan-Diät! Mit Brigitte-Diät habe ich über acht Kilo und 200
Gramm abgenommen.“

Liebe Leser, das macht alles keinen Sinn mehr! Ich habe die Nase bis oben
hin voll! In diesem Fall würde ja selbst der „Geduldstein“ in tausend
Stücke platzen, wie mein lieber Onkel Ömer immer zu sagen pflegt!

Deshalb gebe ich hiermit öffentlich meine Ramadan-Kapitulation bekannt! Ich
höre endgültig auf, die Deutschen aufklären zu wollen. Ich mach’s nicht
mehr! Aus, Ende, Schluss, Finito, Bitti!

Ich habe es endgültig eingesehen, dass ich weder ein halbwegs guter Lehrer
bin noch dass meine Deutschen-Kumpels Ramadan-Experten werden können oder
wollen. Mit Sicherheit hat aber die sogenannte Deutsch-Leitkultur-Abteilung
meinen heutigen Wutanfall überhaupt nicht verstanden.

Aber was soll’s, die nicht ganz so nationalistischen Leser sollen es eben
für sie vom Neu-Deutschen ins Alt-Germanische übersetzen!

19 Apr 2023

## LINKS
[1] /Theologin-ueber-den-Monat-Ramadan/!5760731
[2] /Ramadan/!t5036617
[3] /Deutsche-Leitkultur/!t5240814
## AUTOREN
Osman Engin
## TAGS
Kolumne Alles getürkt
Ramadan
Muslime in Deutschland
Islam
Deutsche Leitkultur
Ramadan
Kolumne Alles getürkt
Kolumne Alles getürkt
Vornamen
Kolumne Stadtgespräch
Ramadan
Libanon
Fastenmonat
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ramadan in Deutschland: Wünscht uns einen gesegneten Monat
Es herrscht noch weit verbreitete Ignoranz, wenn es um den Fastenmonat
Ramadan geht. Für die muslimischen Gläubigen ist das bisweilen recht
mühsam.
Neues Geschäftsmodell: Wahlrecht im Angebot
Mein Sohn Mehmet kauft Wahlunterlagen von Nichtwählern und vertickt sie in
seiner „Wahlrecht-Mitbenutzungs-Zentrale“. Das zieht auch die Polizei an.
Meine Familie am 1. Mai: Solidarität mit der Polizei
Den Tag der Arbeit verbrachten alle Mitglieder meiner Familie genau so, wie
sie wollten. Einen Tag später stand die Polizei vor unserer Tür.
Übergriffige Fragen von Fremden: Google doch!
Einen in Deutschland außergewöhnlichen Namen zu haben, ermutigt Menschen
dazu, intimste Fragen zu stellen. Unsere Autorin weiß, wovon sie spricht.
Fastenmonat in der Türkei: Wahlkampf schlägt Ramadan
Der Fastenmonat Ramadan wird dieses Jahr anders begangen als sonst.
Offizielle Begründung: das Erdbeben. Vermutlich liegt es eher am Wahlkampf.
Ramadan in Hamburg: Die Feier nebenan
Der Ramadan hat begonnen und viele Leute kriegen das nicht mit. Dabei geht
es darum, gemeinsam zu feiern – unabhängig von der Religionszugehörigkeit.
Im Libanon gibt es nun zwei Zeitzonen: Christliche Zeit, muslimische Zeit
Wohl um das Fasten zu erleichtern, möchten Muslime die Sommerzeit um einen
Monat nach hinten verschieben. Das sorgt für Verwirrung, etwa bei Banken.
Ende des Ramadan: Bittersüßes Baklava
Baklava-Konditoreien florieren in Berlin. Beliebt ist es als Mitbringsel
zum Fastenbrechen im Ramadan und zum Zuckerfest am Donnerstag.