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Hamburg taz | Der rot-grüne Hamburger Senat hat mit Steuergeld
CO2-Emissionszertifikate gekauft. Er hat also anderswo Klimaschutzprojekte
finanziert, statt auf seinem eigenen Gebiet den Ausstoß an Klimagas zu
verringern. Für den Landesvorsitzenden des Naturschutzbundes (Nabu), Malte
Siegert, hat das „etwas mit Ablasshandel zu tun“. Und dem
CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Sandro Kappe drängt sich der Verdacht auf,
„dass die abmontierten [1][Klimaschutzziele nur durch Emissionshandel]
erreicht werden konnten“.
Die Projekte zur Verringerung des Ausstoßes an Treibhausgasen stehen im
Zwischenbericht des Senats zur Umsetzung seines Klimaplans. Darin
bescheinigte er sich, dass er das Zwischenziel einer Verringerung des
CO2-Ausstoßes von 2012 bis 2021 mit 2,05 Millionen Tonnen leicht
übererfüllt habe. Einen Teil dieser Menge hat der Senat durch
„Zertifikateerwerb“ eingespart. Über die Klimaschutzorganisation Atmosfair
finanziert er hocheffiziente Holzöfen in Nigeria.
[2][Das Projekt ist im Rahmen des Clean Development Mechanism (CDM) der
UN-Klimakonferenz registriert worden]. Dieser Mechanismus, der bei der
1997er-Klimakonferenz in Kyoto vereinbart wurde, erlaubt es
Industrieländern, ihre Emissionziele dadurch zu erreichen, dass sie
CO2-sparende Projekte in Entwicklungsländern bezahlen. Für Industrieländer
ist das ein billiger Weg, ihren Klimaschutzplichten nachzukommen, während
die Zielländer vom Technologietransfer profitieren.
Wie die CDM-Geschäftsstelle in der Beschreibung des Projekts ausführt, ist
der Brennholzverbrauch eine der [3][Hauptursachen für die veränderte
Landnutzung und Entwaldung Nigerias und damit dessen wachsenden
CO2-Ausstoß]. Weil zu wenig aufgeforstet werde, schwänden die Wälder und es
wachse die Wüste. Eine effizientere Holzverbrennung sei dafür ein
entscheidendes Gegenmittel.
## CO2-Reduktion „vergleichsweise hoch“
Das von Hamburg finanzierte Projekt umfasst den Zusammenbau, den Vertrieb,
die Nutzung und Wartung der Öfen sowie das Monitoring des Projekts selbst.
Bei den Öfen aus Edelstahl sollen 250 Gramm Zweige ausreichen, um sechs
Liter Wasser zu erhitzen – 80 Prozent weniger als bei einer traditionellen
Feuerstelle. Zu dem System gehören auch Töpfe und Pfannen sowie eine
Warmhaltekiste zum Nachgaren, die zusätzlich Energie spart.
Dem Abgeordneten Kappe gegenüber rechtfertigte der Senat das Projekt damit,
dass die CO2-Reduktion „vergleichsweise hoch“ sei und die nachhaltige
Entwicklung in Nigeria gefördert werde. „Mit dieser nicht nachvollziehbaren
Begründung müssten wir in Hamburg keine teuren Maßnahmen mehr ergreifen.
Schließlich sei es ja billiger, CO2 in Afrika einzusparen“, kritisiert der
CDU-Mann.
In seiner Antwort an Kappe kündigte der Senat aber auch an, keine weiteren
Zertifikate mehr kaufen zu wollen. „Da der Erwerb von Emissionszertifikaten
keinen Einfluss auf die Hamburger Klimaziele hat, ist die Umsetzung
weiterer Maßnahmen dieser Art derzeit nicht geplant.“ Grund dafür sei, dass
sich das aktuelle CO2-Reduktionsziel auf die Hamburger Verursacherbilanz
und somit in erster Linie auf Maßnahmen in Hamburg beziehe.
Bis dato hat der Senat die Zertifikate jedoch eingerechnet. Er veranschlagt
aus dem Projekt eine CO2-Einsparung von 75.000 Tonnen über die Jahre 2018
bis 2020 – im Schnitt 25.000 Tonnen pro Jahr. Sie sind Teil einer
durchschnittlichen jährlichen Gesamteinsparung von 205.000 Tonnen.
Gekostet haben die Zertifikate knapp eine Million Euro. Dem stehen knapp 36
Millionen Euro gegenüber, die Hamburg 2019 und 2020 insgesamt für Maßnahmen
seines Klimaplans ausgegeben hat.
Dazu kommt noch ein weiteres, [4][ähnliches Geschäft mit Atmosfair]:
[5][Der Senat hat die Flugreisen seiner Beschäftigten mit Zahlungen an
Atmosfair kompensiert,] so wie es viele Privatleute tun. 20.000 Tonnen
weniger CO2 schreibt er sich auf diese Weise gut. Für das Geld würde unter
anderem in den Moorschutz investiert.
Für den Nabu-Landesvorsitzenden Siegert klingt das ein bisschen wie Hohn.
Emissionszertifikate zu kaufen, hielte der durchaus für denkbar, „wenn sich
die Stadt hinreichend bemühen würde, selbst Schäden zu vermeiden“.
Tatsächlich aber genehmige sie Bauvorhaben gerade auch im Moorgürtel.
Siegert gesteht dem rot-grünen Senat durchaus zu, dass er einiges bewegt
hat im Klimaschutz. Angesichts der Größe der Herausforderung sei das aber
zu wenig. Gerade in dem Bereich, in dem er den größten Handlungsspielraum
habe, agiere der Senat zu vorsichtig: beim Verkehr. Nach wie vor werde eine
Autobahn durch Hamburgs Süden geplant, es gebe keine Umweltzone, kein
scharfes Tempolimit, das Parken sei zu billig, der öffentliche Nahverkehr
immer noch nicht gut genug. Ziel müsse es sein, die Zahl der zugelassenen
Autos von 800.000 auf 200.000 zu senken.
16 Dec 2022
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