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[1][Der „Tatort“ ist gerade 50 geworden] und die populärste Krimireihe im
deutschen Fernsehen. Vergangenes Jahr schauten im Schnitt neun Millionen
Zuschauer:innen die Sonntags-Krimis im Ersten. Und weil der „Tatort“ eben
„der“ deutsche Krimi ist, wird Geschlechtergerechtigkeit immer wieder
abgefragt. Wie sieht es mit den Kommissarinnen aus? Welche weiblichen
Figuren werden erzählt? Und wie? Entscheidend kann hierbei sein: Wer die
Drehbücher schreibt.
Nur etwa 6 Prozent der „Tatorte“ wurden 2018 von Frauen geschrieben, gibt
die ARD an. Im Vergleich: Deutschlandweit werden 23 Prozent der Drehbücher
von Autorinnen verfasst, hat ProQuote Film noch 2015 aus Zahlen der
Filmförderungsanstalt erhoben.
Drehbuchautorin Meike Hauck sieht beim „Tatort“ eine gewisse
Risikoaversion, die Drehbuchautorinnen strukturell benachteilige. Hauck hat
2011 den Leipzig-„Tatort“ „Rendezvous mit dem Tod“ geschrieben und gehört
zu einer Initiative von Autorinnen, die Geschlechtergerechtigkeit beim
Drehbuch fordert. Gerade weil der „Tatort“ so erfolgreich sei, sagt Hauck,
werde auf etablierte Autoren zurückgegriffen. „Es gibt ein großes Bedürfnis
nach Sicherheit. Wer diese Sicherheit verkauft, der bekommt den
Drehbuchauftrag.“
Vor zwei Jahren gingen die „Tatort“-Drehbuchautor:innen deswegen in die
Offensive, mit einem Brandbrief an die ARD-Programmdirektion. 83
Autor:innen forderten darin eine Drehbuch-Quote von 50/50. Kreativität
lasse sich nicht quotieren, hieß es daraufhin in der Antwortmail.
## Das Publikum konfrontieren
[2][Ende 2019 verfasste die Initiative deshalb einen zweiten Brief.] Wie
mit den Forderungen umgegangen wird, liegt allerdings in der Verantwortung
der einzelnen Landesrundfunkanstalten. Der NDR hat Mitte März
Drehbuchautorinnen zu einem Workshop eingeladen, um sich zu dem Thema
auszutauschen. Mehr als 150 Autorinnen hatten sich angemeldet, das Treffen
musste dann pandemiebedingt ausfallen, der Workshop soll nachgeholt werden.
Meike Hauck ist besorgt, dass das bisschen Offenheit für ihre Forderungen
nun wieder verschwindet. „In solchen Zeiten fällt man schnell wieder auf
das zurück, was vermeintlich schon immer funktioniert hat“, sagt sie. Es
werde zu sehr auf „imaginäre Erfolgsquoten“ geschaut, echte Innovation
könne so nicht stattfinden. Auch werde zu sehr darauf geachtet, möglichst
viele Interessen zu vertreten. „Ich glaube, dass man Zuschauer:innen
fordern und mit Dingen konfrontieren muss, die sie nicht kennen oder nicht
gewohnt sind.“
[3][Petra Lüschow, Regisseurin, Autorin] und ebenfalls Unterstützerin der
Initiative, lehrt seit über 20 Jahren an Filmhochschulen. Sie sieht Frauen
und Männer seit Langem gleichauf. „Es ist logisch nicht möglich, dass es so
viel mehr qualitativ gute Männer gibt als Frauen“. Zunächst sei sie selbst
gegen eine Quote bei der Verteilung von Drehbuchaufträgen gewesen,
mittlerweile ist sie dafür. Frauen werde immer noch weniger zugetraut als
Männern. Nicht selten seien Frauen mit ihren Debüts sogar erfolgreicher,
haben hinterher aber am Markt trotzdem weniger Chancen. „In dem Moment, wo
es plötzlich um hohe Budgets geht, greifen alte Vorurteile.“
Mehr Vielfalt bei den Drehbuchautor:innen würde, so argumentiert die
Initiative, auch zu mehr Innovation in den Erzählungen führen. Meike Hauck
sieht da etwa das Problem, dass der „Tatort“ fast immer aus der
Ermittlerperspektive erzählt wird. So könne er die wirklich interessanten
Fragen nicht beantworten. Es werde nicht erzählt, wie es den Opfern geht,
sondern lediglich die Frage beantwortet, wer den Mord begangen habe. Warum,
das kläre sich meist erst in den letzten fünf Minuten am Schluss. Für Hauck
sind aber die interessanten Geschichten die über das „Böse in uns“.
Und neben dem inhaltlichen, künstlerischen Argument ist da noch das
wirtschaftliche: Der „Tatort“ ist einer der bestbezahlten Programmplätze
der ARD. Dass es weniger weibliche Drehbuchautorinnen beim „Tatort“ gibt,
führt daher nach Ansicht der Initiative auch zu einem Gender Pay Gap in der
Branche.
29 Nov 2020
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