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Seit Donnerstag, 23. Juli, werden die Tage wieder heruntergezählt in Tokio.
Da waren es 365 Tage bis zum Beginn der Olympischen Sommerspiele, die wegen
der Coronapandemie von diesem [1][ins nächste Jahr verschoben] worden sind.
#1yeartogo war der Hashtag in sozialen Medien, mit dem das IOC den Start
des Countdowns begleitet hat. Die Ouvertüre zur ganz großen Sportoper im
nächsten Jahr ist angespielt worden. Als Symbol für „die Kraft des Sports,
die Menschheit zu einen“ haben die Olympier die Fackel mit dem olympischen
Feuer auserkoren. In der Sprache Olympia klingt das so: „Die olympische
Flamme soll ein Licht werfen auf die Ausdauer und Stärke der Athleten bei
der Vorbereitung auf die Spiele.“
Dass es die Nazis waren, die den Fackellauf als Vorspiel zu den Olympischen
Spielen ins Leben gerufen haben, daran stört sich das Internationale
Olympische Komitee offenbar nicht. „Berlin 1936 hat den Auftakt markiert,
indem zum ersten Mal die Flamme zur Schale getragen wurde. Das nächste Mal
können wir kaum erwarten“, [2][twitterte dass IOC] und schickte ein schönes
Filmchen in die Welt, das die Propagandaspiele der Nazis im besten Licht
dastehen lässt. Die heiteren Spiele 1936. [3][Leni Riefenstahl], die
Zelluloidpropagandistin der Nazis, hätte gewiss ihre Freude an dem
Zusammenschnitt von Bildern aus ihren Olympiafilmen zu einem Werbevideo für
die olympische Idee im 21. Jahrhundert. Im Werbefilmchen vom Donnerstag
sind keine Hakenkreuzfahnen zu sehen, keiner reckt die rechte Hand in die
Höhe, kein Führer, der zurückgrüßt.
Die faszinierenden Bilder, die den vierfachen Olympiasieger Jesse Owens
zusammen mit dem deutschen Weitspringer Lutz Long zeigen, dürfen da nicht
fehlen. Da wird so getan, als sei es die olympische Bewegung gewesen, die
den Schwarzen Superstar der Spiele mit dem unter der Hakenkreuzfahne
startenden Deutschen zusammengebracht hat. Wie lautet noch mal das Synonym
für Olympische Spiele in der Werbelyrik des IOC? „Ein Fest zur Feier der
Einheit und Solidarität der Menschheit.“
## Geschichtslose Geschichtserzählung
Dass es das IOC war, das den Nazis die Bühne für eine nie dagewesene
Propagandashow geboten hat, wird man wissen in der Zentrale des
Sportkonzerns in Lausanne. Wie gut man dort historische Zusammenhänge
ausblenden kann, hat das IOC über die Jahrzehnte seines Bestehen immer
wieder gezeigt. Und so lassen sich eben auch die Nazi-Spiele von 1936
bestens einreihen in die ganz eigene historische Erzählung des IOC. In der
ist zwar immer von Werten die Rede, von der Menschheit, von der Einheit in
Vielfalt und von der Kraft des Sports. Eingeordnet in einen historischen
Kontext werden diese Begriffe nie. Und so bleiben sie leer, so gut sie sich
auch anhören mögen. Wer hat schon etwas gegen den Weltfrieden?
Dafür schickt das IOC auf allen Kanälen Bilder von sportlichen
Spitzenleistungen in die Welt, die die Menschheit „inspirieren“ sollen.
„Inspiring“ ist vielleicht das von den Olympiern am häufigsten gebrauchte
Worte, wenn es um Höchstleistungen im Zeichen der fünf Ringe geht. Aber
wozu soll die Welt inspiriert werden? Zur Steigerung des Ruhms der
olympischen Bewegung natürlich. Auf dass eine nächste Generation wieder
Bilder von Höchstleistungen produziert, welche die übernachste inspirieren.
In dieser abgeschlossenen Welt ist es kein Problem, im Fackellauf von 1936
nichts als Inspiration zu sehen. [4][In einer Mitteilungung des IOC] heißt
es: „Die Flamme soll für die Solidarität, die Hoffnung und die Vielfalt in
der olympischen Bewegung stehen“. Ein später Propagandeerfolg der Nazis.
24 Jul 2020
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