# taz.de -- Die Wahrheit: Probleme anderer Leute

> Was manche Menschen als Belästigung empfinden, kann einen auch wunderbar
> an damals erinnern, als wir alle noch jung und ungesund waren.​
Falls ich je eine Modelagentur im Fetischbereich eröffnen würde, hieße sie
„Mannequin Piss“. Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass ich je in
meinem Leben mit einer Modelagentur oder auch nur Models zu tun haben
werde, ob Fetisch oder Fashion. Dieser Zug war schon abgefahren, bevor er
überhaupt im Sackbahnhof bereitgestellt wurde.

Models sind Menschen, die im Flugzeug nicht in der Mitte sitzen können,
weil ihre Beine zu lang sind. Das hat ein Bekannter von mir, der Model ist,
wenn auch im Nebenberuf, tatsächlich einmal geltend gemacht: „Ich habe echt
lange Beine – könnte ich bitte in der Notausgangreihe sitzen? Da ist mehr
Platz …“ Als Stewardess hätte ich geantwortet: „Und ich habe einen echt
dicken Hintern – und trotzdem zwäng ich mich durch die engen Gänge!“

Aber Flugpersonal ist ja stets extrem nett und nie schnippisch, weil sonst
die Chance verspielt wird, zum Purser aufzusteigen und ungeliebte Kollegen
vorsätzlich zu den besonders oft nach Tomatensaft brüllenden Gästen zu
schicken.

Das mit den langen Stelzen ist ein – einst von Douglas Adams so ähnlich
definiertes – „PAL“, ein „Problem anderer Leute“. Davon gibt es viele:
Rauchen zum Beispiel stört viele andere Menschen, mich asthmatische
Nichtraucherin allerdings überhaupt nicht. Im Gegenteil – wenn um mich
herum geraucht wird und ich am nächsten Tag an den verqualmten Klamotten
rieche, bekomme ich Sehnsucht nach damals, als wir alle noch jung und
ungesund waren.

Damals bin ich mit einem der ersten Nichtraucherflüge in die USA geflogen,
und die vielen Raucher an Bord hatten den Verzicht auf ihre Sucht noch
nicht verinnerlicht und rauchten trotzdem. Weil man sie ja deswegen nicht
einfach über dem Atlantik vor die Sicherheitstür setzen konnte und weil
auch die Stewards und Stewardessen ihre Zichten vermissten, schlenderte
jede Stunde ein Steward durch den verqualmten coolen hinteren Bereich und
sprühte kichernd Raumspray drüber.

Unabhängig davon wohnt Räumen, in denen nicht geraucht wird, aber Menschen
zusammenkommen, eine Melange aus Menschengerüchen inne, schlimmer als
frisch gerösteter Tabak. Wobei Tabak, als Sinnbild für die Natur, ein
weiteres PAL symbolisiert: Mich stört es überhaupt nicht, in einer
weitgehend sonnenfreien und lichtarmen Wohnung zu leben. Ich besitze
schließlich Lampen, und hätte ich mehr Fenster, dann hätte ich sie eh mit
Regalen zustellen müssen. Wieso man die gefährliche, Sonnenbrand und
Hautkrebs auslösende Sonnenstrahlung immer noch als angenehm empfindet, das
bisschen abendliches Kneipen-Passivrauchen jedoch verteufelt, ist mir nicht
klar.

Die seit ein paar Jahren um sich greifende Eigenart, statt echtem Tabak
E-Zigaretten zu rauchen und zu denken, damit habe man sich und allen
anderen ein Gefallen getan, ist übrigens kein PAL, sondern einfach Quatsch.
Wenn ich jemanden nuckeln sehen möchte, gehe ich zum Babyturnen.

2 Feb 2018

## AUTOREN
Jenni Zylka
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Berlin
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