|
Karlsruhe taz | Werner Wölfle zählt zum Urgestein der Grünen in
Baden-Württemberg. Einst Galionsfigur des Stuttgart-21-Protests, dann
Ideengeber für die Schlichtungsrunde unter Heiner Geißler. Als die Grünen
im Südwesten in Regierungsverantwortung drängten, traute man ihm Höheres
zu. Er wurde als baden-württembergischer Verkehrsminister gehandelt, manche
hielten ihn auch für einen guten grünen Stuttgarter Oberbürgermeister. Der
wurde 2012 Fritz Kuhn, aber Wölfle war zuvor immerhin Bürgermeister
geworden. Erst für Verwaltung und Krankenhäuser, dann für Soziales. Für
Ärger sorgt er seither in beiden Ämtern.
Ein Gütetermin vor dem Arbeitsgericht in Stuttgart Anfang Dezember. Es
klagt eine leitende städtische Mitarbeiterin aus Wölfles Sozialreferat
gegen drei Abmahnungen, die ihr der Bürgermeister erteilt hat. Die Klage
der Mitarbeiterin hat es in sich: Wölfle soll rechtswidrig in eine
Ausschreibung für Sozialträger eingegriffen haben, so gibt es die
Mitarbeiterin zu Protokoll.
Es geht um sogenannte ESF-Förderanträge, also EU-Gelder, die das Land für
Arbeitsmarkt-Fördermaßnahmen an Träger vergibt. Wichtig dabei: Träger, die
sich bewerben, müssen eine eigene finanzielle Deckung nachweisen.
Die für die Prüfung der ESF-Anträge zuständige Mitarbeiterin hält den
Antrag der „Deutschen Angestellten-Akademie“ (DAA), eines bundesweit
agierenden Weiterbildungsunternehmens, für das Jahr 2018 nicht für
förderfähig. Sie hat inhaltliche Kritik, vor allem aber fehlen 14.000 Euro
Eigenfinanzierung, die die DAA nicht nachweisen kann. Die DAA habe falsche
Angaben gemacht, sagt die Mitarbeiterin. Aus ihrer Sicht gibt es in einem
solchen Fall keinen Ermessensspielraum, sie lehnt die Förderung ab.
Doch Werner Wölfle will der Entscheidung seiner Fachkraft nicht folgen. Er
weist sie in einem Gespräch an, die DAA nicht aus dem Wettbewerbsverfahren
zu werfen und stattdessen die zuständige L-Bank, die Staatsbank für
Baden-Württemberg, von der Bewerbung der Akademie zu überzeugen. Als sich
die Mitarbeiterin weigert, droht Wölfle ihr das Arbeitsgebiet zu entziehen.
## Nach Gutsherrenart entschieden
Der Vorfall wirft die Frage auf, warum es Wölfle so wichtig war, die DAA
auch entgegen der Ausschreibungsregeln im Wettbewerb zu halten. Darauf
wissen weder die klagende Mitarbeiterin noch Sozialpolitiker im Stuttgarter
Stadtrat im Moment eine Antwort. Aber Wölfle arbeitet seit Jahrzehnten im
sozialen Bereich, zuletzt war er 19 Jahre lang Bereichsleiter bei der
Caritas Stuttgart für die Jugend- und Familienhilfe.
In so einer langen Zeit lernt man viele Leute kennen. „Das muss kein
Vorteil sein“, sagt ein Stadtrat, der Wölfle lange kennt. Ausschreibungen
würden immer ein bisschen nach Gutsherrenart entschieden, heißt es bei
sozialen Trägern, die an solchen Ausschreibungen oft teilnehmen.
Wölfle legt Wert darauf, dass er nicht zugunsten eines Bewerbers
eingegriffen habe. „Ich habe eingegriffen, um für ein sauberes Verfahren zu
sorgen“, erklärt Wölfle gegenüber der taz. Ob er persönliche oder
geschäftliche Verbindungen zur DAA hat, diese Frage lässt Wölfle
unbeantwortet. Ein Sprecher von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne)
erklärt zum Verfahren: Die für die Vergabe der Gelder zuständige L-Bank
habe erklärt, „dass der Antrag der DAA keinesfalls formal unzulässig ist,
sondern Schwächen enthält, die später zu heilen wären“.
## Inkompetent im Amt?
Im Stuttgarter Stadtrat wundert man sich nicht so sehr über Wölfles Art,
Einfluss zu nehmen. Dort ist er als „Machtmensch“ bekannt, der auch mal
aufbraust und „weiß, wie man sich durchsetzt“. Eher schon wundert man sich,
dass er als ausgewiesener Sozialpolitiker seine Domäne nicht souveräner
führt. Als er 2016 in einem allgemeinen Zuständigkeitstausch das
Sozialreferat erhielt, „dachten wir, Soziales, das kann er“, sagt ein
Stadtrat trocken. Denn schon mit seinen Leistungen davor als Bürgermeister
für Verwaltung und Krankenhäuser waren im Rat bei Weitem nicht alle
zufrieden.
2011, als Wölfle dort Nachfolger von Klaus-Peter Murawski, dem heutigen
Chef der Staatskanzlei, wurde, fand er dort die „International Unit“ vor.
[1][Dieser Geschäftsbereich des städtischen Klinikums sollte
zahlungskräftige Patienten aus der arabischen Welt nach Stuttgart locken.]
So sollte das chronisch unterfinanzierte Städtische Klinikum saniert
werden. Doch die Geschäfte liefen schlecht, statt Gewinnen macht die
„International Unit“ Verluste, dazu kam ein Bakschisch-System für
Patientenvermittler.
Mit den Machenschaften im Städtischen Klinikum beschäftigt sich derzeit die
Staatsanwaltschaft, mit der Verantwortung von Werner Wölfle der städtische
Krankenhausausschuss. Es geht um Schmiergeldzahlungen, für die Andreas
Braun, der ehemalige Chef der „International Unit“ und einst auch Chef der
baden-württembergischen Grünen, sowie der ehemalige Geschäftsführer der
Klinik Ralf-Michael Schmitz verantwortlich sein sollen.
## Nicht ohne Tadel
Von Werner Wölfle wüsste der Krankenhausausschuss gerne, warum in seiner
Verantwortung von der Klinikleitung ein Kooperations-Vertrag beim Aufbau
einer orthopädischen Klinik in Kuwait trotz juristischer Bedenken
unterschrieben wurde. Zudem ist Wölfle dafür verantwortlich, dass der
belastete Geschäftsführer Schmitz trotz der Vorwürfe gegen ihn noch 2016
mit einer Abfindung von 900.000 Euro verabschiedet wurde.
Die Verantwortung Wölfles reiche bisher nicht aus, um seinen Rücktritt zu
fordern, heißt es bisher im Stadrat. Aber dass er als
Krankenhausbürgermeister ohne Tadel gewesen wäre, behauptet nicht einmal
Wölfle selbst.
Über Wölfles hemdsärmeliges Amtsverständnis kursieren in Stuttgart viele
Geschichten. Als er zum Krankenhausbürgermeister ernannt wurde, war seine
Ehefrau Margit Riedinger dort bereits tätig. Sie arbeitet seit einigen
Jahren im Referat des Sozialbürgermeisters, vormals als persönliche
Referentin für Wölfles Vorgänger Murawski. Gleich nach seinem Amtsantritt
sorgte Wölfle persönlich dafür, dass seine Frau künftig besser bezahlt
wird. Rechtlich stand Riedinger die höhere Besoldungsstufe offenbar zu,
doch viele schüttelten den Kopf über Wölfles instinktloses Vorgehen kurz
nach dem Amtsantritt.
Das war, als alle noch dachten, Riedinger würde nach der Einarbeitung ihres
Ehemannes in das neue Amt das Referat wechseln, damit nicht der Eindruck
der Vetterleswirtschaft entsteht. Doch davon war, nachdem mit Fritz Kuhn
ein Grüner Oberbürgermeister geworden war, bald nicht mehr die Rede.
Stattdessen fungiert Riedinger bis heute als persönliche Referentin an der
Seite ihres Mannes, des Sozialbürgermeisters.
## Gute Kontakte zur Presse
Positionen besetzen, auch Abhängigkeiten schaffen, das ist offenbar eine
Machtstrategie von Werner Wölfle. So gilt er als eng mit der örtlichen
Presse vernetzt, der er auch schon mal nicht öffentliche Informationen aus
dem Rathaus zukommen lassen soll. Manchmal auch unfreiwillig.
2011 hatte er erst in einem Interview seinen Vorgänger Murawski für dessen
Amtsführung kritisiert. Dann schickte er offenbar aus Versehen eine SMS,
die für einen Freund bestimmt gewesen sein soll, an die Stuttgarter
Nachrichten. Auch darin kritisiert er Murawski, der inzwischen zum Chef von
Kretschmanns Staatsministerium aufgestiegen war. Wölfle lästert auch gegen
den Aufstieg seines Parteifreunds, des damaligen Stuttgarter
Kreisvorsitzenden Philipp Franke, als Referatsleiter im Staatsministerium.
„Selbst dieser Franke wird im Stami unter gebracht. Ist mir das peinlich.“
Wölfle zieht in der SMS einen interessanten Vergleich. Bei der
Personalpolitik der regierenden Grünen gebe es keinen Unterschied mehr zu
„den Schwarzen“, schrieb Wölfle.
29 Dec 2017
## LINKS
|