# taz.de -- Pläne für Olympisches Dorf von 1936: Im „Speisehaus der Nationen“ wohnen

> Wo sich 1936 rund 4.000 Sportler aus aller Welt auf die NS-Spiele
> vorbereiteten, soll gebaut und saniert werden. Ein stimmiges
> Denkmalkonzept fehlt aber noch.
Wenn man Glück hat, kann man auf dem Sportplatz des ehemaligen olympischen
Dorfes von 1936 in Elstal (Gemeinde Wustermark) ein paar Kicker bolzen
sehen. Lebendig wird es auch, wenn Schüler des Marie-Curie-Gymnasiums ihre
Kollegen aus Berlin zum jährlichen „Jesse-Owens-Lauf“ einladen. Der
vierfache Goldmedaillengewinner hatte 1936 hier trainiert.

Ansonsten ist das Areal eine Art Terra incognita. Das Gelände hinter der
Berliner Stadtgrenze an der B5 in Richtung Nauen ist eingezäunt und nicht
zugänglich. Viele der einstmals 140 Bauten für 4.000 Sportler, die während
der NS-Spiele 1936 dort untergebracht waren, sind abgerissen. Die
Schwimmhalle bröckelt. Überall ist Putz abgeplatzt, Fenster sind zu Bruch
gegangen oder zugemauert.

Mittendrin steht noch das „Speisehaus der Nationen“, ein großes, halbrundes
vierstöckiges Architekturensemble im Stil der Moderne und einst das
Hauptgebäude im olympischen Dorf. Es steht leer, ist marode und soll jetzt
saniert werden – jedoch nicht für eine museale oder eine Sportnutzung.

Als Anfang Juli Holger Schreiber, Bürgermeister in der Gemeinde Wustermark,
Gunther Adler, Staatssekretär im Bundesbauministerium, und Erik Roßnagel,
Vorstand des Nürnberger Bauinvestors Terraplan, vor Ort den Startschuss für
den Umbau des Speisehauses gaben, spielte ein anderer Aspekt eine Rolle:
Das Speisehaus der Nationen wird in 100 Miet- und Eigentumswohnungen
umgebaut, die angesichts des angespannten Wohnungsmarkts in Berlin und im
Umland gebraucht würden, so die Begründung der drei Bauherren. Mehr noch:
Nachdem der auf rund 35 Millionen Euro kalkulierte Umbau 2021
fertiggestellt ist, sollen für 70 Millionen rund 300 weitere Wohneinheiten
in 20 Reihen- und Mehrfamilienhäusern auf einer über 10 Hektar großen
Fläche entstehen.

## Förderung durch Bauministerium

Passt das zusammen – neues Wohnen in braunen Sportlerheimen? Nach Ansicht
von Staatssekretär Adler eignet sich das Bauvorhaben „als herausragendes
Projekt mit historischem Hintergrund“ ganz besonders, um „Raum zum Wohnen,
Erleben, Arbeiten“ zu schaffen. Der Bund sei bereit, „die Sanierung der
Flächen maßgeblich zu unterstützen, damit dringend benötigte Wohnungen
entstehen“. Das Bauministerium fördere das Vorhaben mit 2,6 Millionen Euro
aus dem „Programm für nationale Projekte des Städtebaus“, betonte Adler.

Das insgesamt 50 Hektar große olympische Dorf steht seit 1993 als
Flächendenkmal unter Schutz. Von einer authentischen Erinnerungslandschaft
spürt man auf dem ovalen Areal von Werner March, der gleichzeitig das
Reichssportfeld mit dem Olympiastadion in Berlin entwarf, jedoch wenig. Die
Veränderungen für eine Infanterieschule, für ein Lazarett im Zweiten
Weltkrieg und zur Nutzung als Kaserne der Roten Armee nach 1945
ramponierten die Architekturen bis 1992 peu à peu.

Ein Teil der historischen Spuren ist zudem unter dichtem Bewuchs quasi
vergraben. Der Haupteigner der Flächen, die DKB Stiftung der Deutschen
Kreditbank, hatte in den letzten Jahren zwar Führungen über das Gelände
angeboten und historische Rudimente erhalten – darunter das Schwimmbad, das
„Jesse-Owens-Haus“ und den Sportplatz –, doch stoppen konnte die DKB
Stiftung den Verfall insgesamt nicht.

## Zugang für die Öffentlichkeit?

Ist deshalb die Idee, statt zurückzublicken, nun „Wohnungsbau first!“ dort
anzuschieben, nicht richtig? Zumal wenn Pläne, Geld und Investoren
vorhanden sind – die übrigens 1995 fehlten, als die Brandenburger
Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) vergeblich versuchte, das Areal zu
vermarkten? Oder werden hier Fakten geschaffen, die problematisch werden
könnten? Denn zur Debatte steht eine ebenso wichtige Frage: Was muss
konzeptionell, strategisch und finanziell für das Flächendenkmal
unternommen werden, damit es als Dokument der NS-Architektur und
Sportgeschichte ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zurückgeholt werden
kann?

Barbara Eisenhuth, in der DKB-Stiftung zuständig für das olympische Dorf,
hält „viel davon, dass das Speisehaus saniert wird“. Sie spricht aber auch
von einer „Zäsur“ für das Areal und hofft, dass die städtebaulichen
Entwürfe von Terraplan das Flächendenkmal respektieren werden. Ein Plan,
wie das Gelände „in all seinen Facetten für die Öffentlichkeit zugänglich
gemacht“ werden könnte, und „wie weiter über die Geschichte informiert und
wie Bereiche museal genutzt werden könnten“, müsste dagegen noch
ausgearbeitet werden.

Zu Recht. Ein Erinnerungskonzept für das olympische Dorf haben Architektur-
und Sporthistoriker wie etwa Emanuel Hübner schon früher angeregt.
Mittlerweile scheint auch klar, dass die halbe Million, die die Stiftung in
den Unterhalt des Areals steckte, nicht ausreichte, sondern der Bund,
Investoren oder das Olympische Komitee weitere Mittel aufbringen müssten,
um die Bauten zu bewahren und zu dokumentieren.

## „Starker Zeugniswert“

Auch das Landesamt für Denkmalschutz in Brandenburg und Bürgermeister
Schreiber wünschten sich ein Gesamtkonzept oder eine Gesamtidee, die das
Denkmal, die bauliche Entwicklung und öffentliche Nutzung zusammen denkt.
Es sei wichtig, einen „Umgang mit der Geschichte“ zu finden, so Schreiber.

Nach Ansicht von Brandenburgs Landeskonservator Thomas Drachenberg ist
gegen die geplante Wohnentwicklung nichts einzuwenden, wenn diese „geordnet
und mit Rücksicht auf die Freiflächen“ vor sich gehe. Dass wieder Leben auf
dem Gelände einziehe, könne man nur begrüßen.

Zugleich sei es eine „Herausforderung“ sowohl für die Investoren und
Eigentümer als auch für die Öffentlichkeit, den „historischen Wert der
Anlage dort ablesbar zu erhalten“ – ob in musealer Form oder mit
Erläuterungen, die den Kontext begreifbar machen –, damit die Geschichte
der Olympischen Spiele in einer Diktatur uns wieder bewusst werden könne.

Denn als Dokument aus der NS-Zeit sei das olympische Dorf von 1936 von
„außerordentlicher Bedeutung und nicht nur denkmalpflegerisch
hochinteressant“, sagte Drachenberg. Es war das erste Sportlerdorf der
modernen Spiele, nur für männliche Teilnehmer, mit festen Bauten und mit
einem Landschaftskonzept. Die Anlage spiegle eine Dorfanlage in moderner
sowie traditioneller Architektursprache wider. „Das alles ist von starkem
Zeugniswert.“

19 Jul 2017

## AUTOREN
Rolf Lautenschläger
## TAGS
Olympia 1936
Wohnungsbau
Stadtplanung
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