Die beiden Gebote: Gott zu lieben und den Naechsten zu lieben, sind nicht 
   etwa identisch, so dass die Naechstenliebe ohne weiteres die Liebe zu Gott 
   waere. Dieses Missverstaendnis kann nur da aufkommen, wo man im Menschen 
   einen Eigenwert, ein Goettliches sieht. Da hat man in Wahrheit die Beziehung 
   zu Gott verloren und ersetzt sie durch die Beziehung zum Menschen. Man kann 
   doch nicht Gott lieben, also liebe man die Menschen, eben darin liebt man 
   Gott! - Nein! Vielmehr ist das oberste Gebot dies: Gott zu lieben, den 
   eigenen Willen in Gehorsam dem goettlichen zu beugen. Und dies erste Gebot
   bestimmt den Sinn des zweiten. Naemlich so, dass die Haltung, die ich zum 
   Naechsten einnehme, bestimmt ist durch die Haltung, die ich vor Gott einnehme
   ... Und umgekehrt bestimmt das zweite Gebot den Sinn des ersten: indem ich 
   den Naechsten liebe, bewaehre ich meinen Gehorsam gegen Gott. 
   (Rudolf Bultmann)