6:1    Die Berufung Gideons: 6,1-24

Die Israeliten taten, was dem Herrn missfiel. Da gab sie der Herr in
die Gewalt Midians, sieben Jahre lang.
[Die Midianiter waren Kamelnomaden (V. 5); sie fielen wiederholt
mit verbuendeten Staemmen in Palaestina ein.]

6:2    Als Midian die Oberhand gewann, machten sich die Israeliten die
Schluchten in den Bergen und die Hoehlen und die Bergnester (als
Unterschlupf) vor den Midianitern zurecht.

6:3    Doch immer, wenn die Israeliten gesaet hatten, kamen Midian, die
Amalekiter und die Leute aus dem Osten und zogen gegen sie heran.

6:4    Sie belagerten die Israeliten und vernichteten die Ernte des Landes
bis hin in die Gegend von Gaza. Sie liessen in Israel keine
Lebensmittel uebrig, auch kein Schaf, kein Rind und keinen Esel.

6:5    Denn sie zogen mit ihren Herden und Zelten heran und kamen so
zahlreich wie die Heuschrecken herbei. Zahllos waren sie selbst und
auch ihre Kamele. Sie kamen und verheerten das Land.

6:6    So verarmte Israel sehr wegen Midian, und die Israeliten schrien zum
Herrn.

6:7    Als nun die Israeliten wegen Midian zum Herrn schrien,

6:8    schickte der Herr einen Propheten zu den Israeliten. Dieser sagte zu
ihnen: So spricht der Herr, der Gott Israels: Ich selbst habe euch
aus aegypten heraufgefuehrt. Ich habe euch aus dem Sklavenhaus
herausgefuehrt.

6:9    Ich habe euch aus der Gewalt aegyptens und aus der Gewalt all eurer
Unterdruecker befreit. Ich habe sie vor euren Augen vertrieben und
euch ihr Land gegeben.

6:10   Und ich habe euch gesagt: Ich bin der Herr, euer Gott. Fuerchtet
nicht die Goetter der Amoriter, in deren Land ihr wohnt. Aber ihr
habt nicht auf meine Stimme gehoert.

6:11   Der Engel des Herrn kam und setzte sich unter die Eiche bei Ofra,
die dem Abiesriter Joasch gehoerte. Sein Sohn Gideon war gerade
dabei, in der Kelter Weizen zu dreschen, um ihn vor Midian in
Sicherheit zu bringen.
[8,22
Ofra lag noerdlich von Sichem. Der Weizen muss heimlich in der
Kelter ausgeklopft werden, um eine Beschlagnahme durch die Philister
zu vermeiden. Der Engel des Herrn und Gott wechseln im Text.]

6:12   Da erschien ihm der Engel des Herrn und sagte zu ihm: Der Herr sei
mit dir, starker Held.

6:13   Doch Gideon sagte zu ihm: Ach, mein Herr, ist der Herr wirklich mit
uns? Warum hat uns dann all das getroffen? Wo sind alle seine
wunderbaren Taten, von denen uns unsere Vaeter erzaehlt haben? Sie
sagten doch: Wirklich, der Herr hat uns aus aegypten heraufgefuehrt.
Jetzt aber hat uns der Herr verstossen und uns der Faust Midians
preisgegeben.

6:14   Da wandte sich der Herr ihm zu und sagte: Geh und befrei mit der
Kraft, die du hast, Israel aus der Faust Midians! Ja, ich sende
dich.
[1 Sam 12,11; Hebr 11,32]

6:15   Er entgegnete ihm: Ach, mein Herr, womit soll ich Israel befreien?
Sieh doch, meine Sippe ist die schwaechste in Manasse, und ich bin
der Juengste im Haus meines Vaters.

6:16   Doch der Herr sagte zu ihm: Weil ich mit dir bin, wirst du Midian
schlagen, als waere es nur ein Mann.
[Ex 3,12]

6:17   Gideon erwiderte ihm: Wenn ich dein Wohlwollen gefunden habe, dann
gib mir ein Zeichen dafuer, dass du selbst es bist, der mit mir redet.

6:18   Entfern dich doch nicht von hier, bis ich zu dir zurueckkomme; ich
will eine Gabe fuer dich holen und sie vor dich hinlegen. Er sagte:
Ich werde bleiben, bis du zurueckkommst.

6:19   Gideon ging (ins Haus) hinein und bereitete ein Ziegenboeckchen zu
sowie ungesaeuerte Brote von einem Efa Mehl. Er legte das Fleisch in
einen Korb, tat die Bruehe in einen Topf, brachte beides zu ihm
hinaus unter die Eiche und setzte es ihm vor.

6:20   Da sagte der Engel Gottes zu ihm: Nimm das Fleisch und die Brote,
und leg sie hier auf den Felsen, die Bruehe aber giess weg! Gideon tat
es.

6:21   Der Engel des Herrn streckte den Stab aus, den er in der Hand hatte,
und beruehrte mit seiner Spitze das Fleisch und die Brote. Da stieg
Feuer von dem Felsblock auf und verzehrte das Fleisch und die Brote.
Der Engel des Herrn aber war Gideons Augen entschwunden.
[Durch das wunderbare, durch den Engel des Herrn entzuendete Feuer
wird die Stelle als heiliger Ort bezeichnet und folglich nach V. 24
zur Kultstaette.]

6:22   Als nun Gideon sah, dass es der Engel des Herrn gewesen war, sagte
er: Weh mir, Herr und Gott, ich habe den Engel des Herrn von
Angesicht zu Angesicht gesehen.
[Ex 33,20; Jes 6,5]

6:23   Der Herr erwiderte ihm: Friede sei mit dir! Fuerchte dich nicht, du
wirst nicht sterben.

6:24   Gideon errichtete an jener Stelle einen Altar fuer den Herrn und
nannte ihn: Der Herr ist Friede. Der Altar steht bis zum heutigen
Tag in Ofra, (der Stadt) der Abiesriter.

6:25   Die Zerstoerung des Baal-Altars: 6,25-32

In jener Nacht sagte der Herr zu Gideon: Nimm das Rind deines
Vaters, den siebenjaehrigen fetten Farren, reiss den Altar des Baal
nieder, der deinem Vater gehoert, und den Kultpfahl daneben hau um!
[25.28: fetten (Farren): Text korr.; H: zweiten.]

6:26   Bau einen Altar fuer den Herrn, deinen Gott, auf der Hoehe der Burg
hier, entsprechend der vorgeschriebenen Ordnung, nimm den fetten
Farren, und bring ihn mit dem Holz des Kultpfahls, den du umhaust,
als Brandopfer dar.

6:27   Da nahm Gideon zehn seiner Knechte und tat, was der Herr zu ihm
gesagt hatte. Weil er sich aber vor seiner Familie und den Leuten
der Stadt fuerchtete, es bei Tag zu tun, tat er es bei Nacht.

6:28   Als die Einwohner der Stadt am Morgen aufstanden, sahen sie, dass der
Altar des Baal zerstoert, der Kultpfahl daneben umgehauen und der
fette Farren auf dem neuerbauten Altar geopfert war.

6:29   Da sagten sie zueinander: Wer hat das getan? Sie suchten und
forschten nach und stellten fest: Gideon, der Sohn des Joasch, hat
es getan.

6:30   Die Einwohner der Stadt sagten deshalb zu Joasch: Gib deinen Sohn
heraus! Er muss sterben, denn er hat den Altar des Baal
niedergerissen und den Kultpfahl daneben umgehauen.

6:31   Joasch erwiderte allen, die um ihn herumstanden: Wollt ihr etwa fuer
Baal streiten? Wollt ihr ihn retten? Wer fuer ihn streitet, soll noch
vor dem Morgen sterben. Wenn Baal Gott ist, soll er fuer sich selbst
streiten, weil man seinen Altar niedergerissen hat.

6:32   Darum nannte man Gideon seit jenem Tag Jerubbaal - das heisst: Baal
moege gegen ihn streiten -; denn er hat seinen Altar niedergerissen.
[7,1
Jerubbaal erscheint in 7,1 als zweiter Name Gideons und bedeutet
"Baal moege (fuer ihn) streiten" oder "Baal moege sich gross erweisen".]

6:33   Das goettliche Zeichen vor der Schlacht gegen die Midianiter: 6,33-40

Ganz Midian, Amalek und die Leute aus dem Osten taten sich zusammen,
zogen herueber und schlugen in der Ebene Jesreel ihr Lager auf.

6:34   Da kam der Geist des Herrn ueber Gideon. Gideon blies ins Widderhorn
und rief die Abiesriter, ihm (in den Kampf) zu folgen.
[3,10; 11,29; 13,25]

6:35   Auch schickte er Boten in ganz Manasse umher und rief Manasse, ihm
(in den Kampf) zu folgen. Ausserdem schickte er Boten in Ascher,
Sebulon und Naftali umher, und auch diese stiessen zu ihnen.

6:36   Da sagte Gideon zu Gott: Wenn du Israel wirklich durch meine Hand
retten willst, wie du gesagt hast -

6:37   sieh her, ich lege frisch geschorene Wolle auf die Tenne; wenn der
Tau allein auf die Wolle faellt und es auf dem ganzen (uebrigen) Boden
trocken bleibt, dann weiss ich, dass du durch meine Hand Israel retten
willst, wie du gesagt hast.

6:38   Und so geschah es. Als er frueh am Morgen hinkam und die Wolle
ausdrueckte, konnte er den Tau - eine Schale voll Wasser - aus der
Wolle herauspressen.

6:39   Darauf sagte Gideon zu Gott: Dein Zorn moege nicht gegen mich
entbrennen, wenn ich noch einmal rede. Ich moechte es nur noch dieses
eine Mal mit der Wolle versuchen: Die Wolle allein soll dieses Mal
trocken bleiben, und auf dem ganzen (uebrigen) Boden soll Tau liegen.

6:40   Und Gott machte es in der folgenden Nacht so: Die Wolle allein blieb
trocken, und auf dem ganzen uebrigen Boden lag Tau.