(SZ)Fünfter Kriegstag. Erst, sollte man hinzufügen, wenn man
   beobachtet, dass die Leute hierzulande in der sicheren Etappe
   Anzeichen passiver Kriegsmüdigkeit erkennen lassen. Einerseits nach
   jedem Zipfelchen Information schnappen, andererseits bewirken
   Totalität und Massivität einer aus Endlosschleifen, Sondersendungen
   und -seiten zusammengesetzten, scheinbar permanenten
   Kriegsberichterstattung, dass eine geheime Sehnsucht , wenigstens
   "persönlich" sich auszublenden und wegzusehen, jetzt schon spürbar
   wird. Das ist nicht Feigheit vor Feind oder Freund, vor der so
   genannten Realität: es ist ein sicherer Instinkt, durch das unablässig
   tönende Welt-Kriegs-Ganze in der eigenen Befindlichkeit, Schöpferkraft
   und Gedankenfreiheit reduziert und missbraucht zu werden. Umso mehr,
   als sich herausstellt, dass wir, handelnd nach bestem Wissen und
   Gewissen, einer "newsmäßigen" Manipulationsmaschine ausgesetzt sind,
   welche der Kriegsmaschine parallel geschaltet ist, beiderseits der
   Linien.

   Dafür steht ein unglaubliches Wort: embedded, eingebettet.
   Journalisten im Irak - die Kriegsberichter - sind "eingebettet" in
   Schützenpanzer, Hauptquartiere, Hotelzimmer, Stoßtrupps etcetera,
   sprich: in fürsorgliche Betreuung. Blick-, Bild- und fast auch
   Denk-Richtung scheinen vorgegeben, der Bewegungsraum tendiert gegen
   Null. Außerdem in manipulierendem Einsatz die bewährte Macht des
   Faktischen, unterstützt von einer schier unwiderstehlichen
   Suggestivität militärischer Technik. Wer freilich glaubt, ein neues,
   besonders perfides amerikanisches ("Ami")-System zu entlarven, irrt.
   In den Kriegen der Neuzeit ist "Einbettung" immer schon versucht und
   praktiziert worden. Goethe darf man ausnehmen, der seinen
   Kriegsbericht "Campagne in Frankreich" 1822 erscheinen ließ, 30 Jahre
   nach dem Ereignis. Erster berufsmäßiger Frontreporter war William
   Howard Russel für die Times im Krimkrieg 1854. Russels Berichte über
   die desolate britische Armee kratzten aber am Ruhm des Empire, wie es
   hieß. Herausgeber Delane druckte also nicht, ließ sie stattdessen im
   Kriegskabinett kursieren. Weltkrieg Eins? Deutscherseits verbindlich
   regelte ein bloß relativ gemütliches "Zensurbuch" der obersten
   Heeresleitung alle Details: "Redakteure: Nachrichten über etwaige
   Verhaftungen von Redakteuren sind unerwünscht". Ja doch. Im Weltkrieg
   Zwo hatte dann Joseph Goebbels wenig Mühe, die "Reichskopfnicker" der
   gleichgeschalteten Presse täglich bei Fuß zu befehlen.

   Heimgesucht von eingebetteten Berichten, Bildern, von der
   Expertensuada des reaktionären 21.Jahrhunderts, denkt man sich
   Beethoven, welcher in seiner Schlachtensinfonie Wellingtons Sieg vor
   200 Jahren einen lautmalenden Kriegsbericht sich ausdachte, mit Pauken
   und Trompeten. Und heute noch anzuhören.