(SZ)Vom Einsiedler Paulus wird berichtet, er habe täglich Palmblätter gesammelt, um aus ihnen allerlei Gegenstände anzufertigen, Sonnenhüte vielleicht oder Sandalen - wer weiß, was in der Wüste gebraucht wurde und wie geschickt er war. Immer wenn das Jahr zur Neige ging, machte er Inventur, und was er von seinen Arbeiten nicht hatte an den Mann bringen können, das verbrannte er, auf dass ihn der Anblick der bereits fertigen Produktion nicht zum Müßiggang verleite. Wirtschaftliche Aspekte wie Lagerhaltung, Bestandspflege usw. sollen uns hier nicht interessieren, obwohl es spannend zu erfahren wäre, wie so eine spätantike Ich-AG es mit der Logistik hielt. Was uns aufhorchen lässt, ist Paulus' Auffassung vom Müßiggang. Anders als wir Heutigen, die damit eher easy umgehen, hält er ihn für ein Hauptlaster, und in der Tat kann man sich den Einsiedler schwer vorstellen, wie er nach getaner Palmblätterarbeit vor seiner Höhle sitzt und sich ein Eis am Stiel genehmigt. Nun sind aber die Kunden des Eis-Herstellers Langnese in der Regel keine Einsiedler, schon gar nicht solche, die sich mit den Haupt- oder Todsünden auskennen. Deswegen, und wohl auch weil die Zeiten so lustig sind beziehungsweise zu werden versprechen, hat Langnese eine neue "Magnum"-Serie herausgebracht, deren einzelne Sorten nach den sieben Todsünden benannt sind: Neid, Eitelkeit, Faulheit, Habgier, Rache, Wollust, Völlerei. Nach den Regeln der Spaßgesellschaft ist das eine Topsache, nach den etwas anders gearteten der Theologie freilich ein hübscher Reinfall. Das nach Tiramisu schmeckende Eis "Habgier" zum Beispiel soll "Lust auf immer mehr" machen, was aber allenfalls zur Völlerei führen würde, und auch die wäre nach zwei oder höchstens drei Magnum erschöpft. Echte Habgier läge vor, wenn der Kunde sein Leben lang Eis kaufte und hortete, dergestalt dass man ihn nach seinem Tod in einer zur Tiefkühltruhe umgebauten Wohnung fände, verhungert zwar, aber umgeben von Millionen Eis am Stiel. So weit will nicht einmal Langnese gehen. "Wir spielen nur ein bisschen keck mit der täglichen kleinen Sünde", sagt ihr Marketing-Chef, und man kann nur hoffen, dass er im Marketing besser zu Hause ist als in der Sündenlehre, denn wenn unser Sünderalltag mit nichts als Todsünden bestritten würde, wäre längst der Teufel los. Wie dem auch sei, auf die christlichen Kirchen war Verlass. Vertreter beider Konfessionen gaben ihrem tiefen Missfallen Ausdruck, wobei Pastor Stahl von der Nordelbischen Kirche eine schöne Anspielung auf die Technik, Eis mit Schokolade zu überziehen, gelang. Todsünden seien "etwas, das man nicht durch den Kakao ziehen darf", sagte er, und wo er Recht hat, hat er Recht. Was er verschwieg, tragen wir nach: Den Sünder darf, ja muss man im Interesse seines Seelenheils durch den Kakao ziehen.