Kurd Laßwitz: Auf zwei Planeten

 42. Das Protektorat über die Erde

Torm bewohnte in Berlin zwei bequem eingerichtete Zimmer in einem
Hotel garni der Königgrätzer Straße. Nach seiner Rückkehr war
er überall der Held des Tages gewesen, den man nicht genug feiern
konnte und um so mehr feierte, als Grunthe sich sehr geschickt von der
Öffentlichkeit zurückzuziehen wußte. Seit der Ankunft der Martier
in Australien und dem Ausbruch ihres Krieges mit England waren aber
die beiden Polarforscher, deren Reise die eigentliche Veranlassung war,
daß die Martier mit den Staaten der Erde in Verbindung traten, ziemlich
in Vergessenheit geraten. Das öffentliche Interesse hatte sich jetzt
wichtigeren Gegenständen zugewendet.

Am 20. März, dem Tag nach der Ankunft Ills am Pol, hatte Torm zwei in
Calais aufgegebene Depeschen erhalten, datiert aus Kla auf dem Mars,
vom 2. März. Die erste enthielt nur die Worte: „Ich komme mit dem
nächsten Raumschiff. Deine Isma.“

Die zweite war von Saltner und besagte, daß Frau Torm und er selbst
die Erlaubnis zur Heimreise erhalten hätten, da sie aber zum Abgang
des Regierungsschiffes nicht mehr zurechtkommen könnten, erst mit dem
nächsten Schiff reisen und daher vor Mitte April nicht bei ihm eintreffen
würden. Auch Ell habe sich entschlossen, sie zu begleiten.  Seitdem hatte
Torm keine Nachricht mehr erhalten und konnte auch keine erwarten. Denn
kein anderes Raumschiff als der ‚Glo‘ legte, wie Grunthe erklärte,
bei der jetzigen Planetenentfernung den Weg unter fünf Wochen zurück.

Heute schrieb man den 12. April. Es war ein Festtag in Berlin, das in
verschwenderischem Schmuck prangte. Die Gesandtschaft des Mars sollte vom
Kaiser empfangen werden. Unter Glockengeläut und Kanonendonner drängte
sich eine jubelnde Menge in den Straßen. In goldigem Eigenlicht wie
die Morgenröte strahlend, mit nie gesehenen Verzierungen geschmückt,
bewegte sich ein glänzender Zug kleiner Luftgondeln, in Mannshöhe
über dem Boden schwebend, durch die Straßen; von den Fenstern aus
überschütteten die Damen den Zug, trotz der frühen Jahreszeit, mit
kostbaren Blumen. Brausende Hurrarufe betäubten das empfindliche Ohr
der Martier.

Torm hatte seinen Platz auf der Tribüne im Lustgarten nicht benutzt. Ihm
waren diese Martier verhaßt. Hatten sie ihm doch den Haupterfolg seiner
Expedition und nun auch die Freude der Heimkehr ins eigene Haus geraubt.
Unruhig ging er in seinem Zimmer auf und ab. Es klopfte, und Grunthe
trat ein.

„Sie sind auch nicht draußen bei den Narren, ich dachte es mir“,
empfing ihn Torm.

Grunthe runzelte die Stirn und blickte finster vor sich hin.

„Es ist eine Schmach“, sagte er, „die Menge bejubelt ihre
Unterdrücker.  Aber das tut sie immer. Morgen wird sie ebenso in Paris,
übermorgen in Rom jubeln, und noch viel ärger. Wenn man das sieht,
so kann man nur sagen, diese Menschen verdienen es nicht besser, als
von den Martiern vernichtet zu werden. Sie werfen sich ihnen zu Füßen,
und so werden sie als Mittel ihrer Zwecke zertreten werden.“

Torm zuckte die Achseln. „Was sollen sie tun? Nihilit ist kein Spaß.“

„Und ich sage Ihnen“, entgegnete Grunthe fast heftig, „kein Martier
vermag den Griff des Nihilitapparates zu drehen, keiner einem Menschen
seinen Willen aufzuzwingen, wenn ihm der Mensch mit festem, sittlichem
Willen gegenübertritt, mit einem Willen, in dem nichts ist als die reine
Richtung auf das Gute. Aber jene Engländer — und wir sind nicht besser
— hatten nur das eigene Interesse, ihren spezifisch nationalen Vorteil,
nicht aber die Würde der Menschheit im Auge, und so sind sie Wachs in
den Händen der Martier. Sie können mir glauben, denn ich habe jenem
Ill getrotzt, vor dem jetzt Kaiser und Könige sich neigen. Ich weiß
es freilich, daß wir verloren sind. Ich habe Ill gesehen, wie er mit
seinen Martiern nur einige Schritte durch den Garten der Sternwarte
von Friedau schlich, auf Krücken gestützt und zusammenbrechend unter
der Erdschwere.  Und ich habe ihn heute gesehen, durch den Garten des
Kanzlerpalais schreitend, aufgerichtet wie ein Fürst, im schimmernden
Panzerkleid; unter den Knien schützten ihn weit nach den Seiten
ausgebogene Schäfte und über dem Haupt, auf kaum sichtbaren Stäben,
von der Schulter gestützt, der glänzende diabarische Glockenschirm
gegen die Schwere. So haben sie es verstanden, sich von dem Druck der
Erde unabhängig zu machen. Aber dies alles würde ihnen nichts nützen,
wenn wir selbst wüßten, was wir wollen.“

Auf der Treppe entstand Lärm. Man vernahm eine helle Stimme.

„Sakri, lassens mich los! Ich kenn’ mich schon aus.“

„Das ist Saltner“, rief Torm. Er stürzte zur Tür. Sie flog auf.

„Da bin ich halt wieder! Grüß Gott viel tausendmal!“

Er schüttelte beiden die Hände.

„Und meine Frau?“ war Torms erste Frage.

„Machens sich keine Sorge!“ sagte Saltner. „Die Frau Gemahlin wird bald
nachkommen, es geht ja jetzt alle paar Tage ein Schiff nach der Erde.“

„So ist sie nicht mitgekommen?“ rief Torm erbleichend.

„Sie hat halt nicht gekonnt. Sie ist ein bisserl bettlägrig, aber ’s
hat weiter nichts auf sich, nur daß sie der Doktor nicht gerad wollt’
reisen lassen.“

„So hat sie geschrieben?“

„Schreiben konnte sie nicht. Aber grüßen tut sie gewiß vielmals.“

„So haben Sie sie gar nicht gesprochen?“

„Das war mir gerad in den Tagen nicht möglich, weil sie noch zu schwach
war. Aber der Doktor sagt, sie wird bald soweit sein, daß sie reisen
kann. Sie brauchen sich wirklich nicht zu ängstigen.“

Torm setzte sich.

„Und Ell?“ fragte er finster. „Wo ist Ell?“

„Er ist zurückgeblieben, bis die Frau Gemahlin reisen kann. Er wollte
sie nicht allein lassen. Es ist vielleicht unrecht, daß ich allein
gereist bin und nicht gewartet hab. Aber schauen Sie, die Sehnsucht,
und dann dacht’ ich, es wär doch besser, ich brächte Ihnen selbst
die Auskunft, als daß wir bloß schreiben sollten.“

„Es ist recht, daß Sie kamen“, sagte Torm, sich erhebend, „verzeihen
Sie, daß ich zuerst an mich dachte, ich habe Ihnen ja soviel und
herzlich zu danken. Und jetzt komme ich sogleich wieder mit einer Bitte.
Sie sollen mir einen Platz auf dem nächsten Raumschiff erwirken, ich
will nach dem Mars!“

Saltner und Grunthe blickten ihn erstaunt an.

„Das werden Sie doch nicht tun!“ rief Saltner. „Sie würden sich mit
der Frau Gemahlin verfehlen.“

„Das werde ich nicht. Ill ist hier. Grunthe wird mir die Bitte
nicht verweigern, er wird mit ihm sprechen, uns eine Lichtdepesche zu
gewähren. Wir werden erfahren, ob Isma noch dort ist, wir werden uns
verständigen. Und wenn ihre Krankheit noch anhält, so werde ich reisen.
Ich werde.“

„Das Reisen läßt sich schon machen. Ich bin jetzt mit der
Gesandtschaft, das heißt heute im Nachtrab, angekommen, daher weiß
ich’s. Von jetzt ab geht alle Wochen ein Luftschiff von hier nach dem
Pol, und von dort an jedem 15. des Monats ein Raumschiff nach dem Mars,
das Menschen als Passagiere mitnimmt. Man will den Planetenverkehr
eröffnen. Es kostet hin inklusive Verpflegung bloß 500 Thekel —
5.000 Mark wollte ich sagen.“

Torm sah ihn verwundert an. „Bloß?“ fragte er.

„Ja, wir haben Geld. Fünftausend Mark sind die Währungseinheit.“

Torm ergriff seine Hand. „Setzen Sie sich erst und erzählen Sie dann.“

Saltner nahm Platz und begann zu sprechen. Grunthe fragte mitunter
dazwischen. Torm aber hörte nur halb, seine Gedanken waren auf dem Mars.
Sie war krank! Und immer wieder kam ihm die Frage, wie konnte Saltner
dessen sicher sein? War sie auch wirklich krank? Und wenn sie nicht
krank war?

„Ich muß reisen!“ rief er plötzlich.

„Nun, nun“, sagte Saltner beruhigend. „Im Moment können Sie nichts
tun.  Ill ist jetzt gerade im Schloß.“

Torm sank auf seinen Platz zurück.

Erneuter Kanonendonner verkündete, daß sich der Kaiser neben dem
Präsidenten des Polreichs vor dem jubelnden Volk zeigte.

Grunthe stand auf und schloß das Fenster.

                                 *     *     *

Isma lag bleich und angegriffen auf ihrem Sofa. Langsam genas sie von
der schweren nervösen Krankheit, die sie unter dem Zusammenwirken
der ungewohnten Lebensverhältnisse und der seelischen Aufregungen
ergriffen hatte.

Hil trat bei ihr ein.

„Wann kann ich reisen?“ war, wie immer, ihre erste Frage.

„Nun, nun“, sagte er, „sobald wir kräftig genug sind.“

„Ach, Hil, das sagen Sie nun schon seit vierzehn Tagen. Lassen Sie es
mich doch versuchen!“

„Erst müssen wir einmal einen Versuch machen, wie es Ihnen bekommt,
wenn Sie hier in Ihrem Zimmer anfangen, wieder ein wenig mit der Welt zu
verkehren. Es wartet da schon lange einer, der Sie gern einmal sprechen
und sehen möchte, aber ich habe bis jetzt nicht erlaubt —“

„Und heute darf er kommen, ja?“ unterbrach ihn Isma lebhaft.

Hil lächelte. „Es ist ein gutes Zeichen, daß Sie selbst danach
verlangen. Aber hübsch ruhig, Frau Isma, und höchstens ein
Viertelstündchen! So will ich es ihm sagen lassen.“

Er verabschiedete sich.

Es dauerte nur wenige Minuten, bis Ell eintrat.

Eine leichte Blutwelle drängte sich in Ismas Wangen, als sie ihm langsam
die schlanke Hand entgegenstreckte, die er leidenschaftlich küßte. Lange
hielt er die Hand fest, bis sie sie ihm sanft entzog.

„Sie sind schon lange zurück?“ sagte sie endlich verlegen.

„Auf die Nachricht, daß Sie reisen dürften, kam ich hierher. Ich hätte
Sie nicht allein reisen lassen, obwohl — doch sprechen wir von Ihnen.
Ich fand Sie erkrankt. Es war unmöglich, Sie wiederzusehen.“

„Und Sie sind mir nicht mehr böse?“

„Isma!“

„Ich habe es eingesehen, ich war ungerecht gegen Sie. Und ich war doch
schuld, daß Sie Ihren Posten auf der Erde verließen —“

„Sie wollten das Beste. Ich aber habe eine Schuld auf mich geladen
— und ich werde sie büßen müssen. Jetzt ist für mich auf der Erde
nichts mehr zu tun, aber die Zeit wird wieder kommen. Dann soll es nicht
an mir fehlen.“

„Und Sie wollen mich begleiten?“

„Wenn Sie reisen dürfen. Aber —“

„Was haben Sie, Ell? Seien Sie aufrichtig, ich beschwöre Sie — sagen
Sie mir die Wahrheit! Sie glauben, ich werde nie wieder —“

„Um Gottes willen, Isma, wenn Sie so sprechen, darf ich nicht
hierbleiben. Sie dürfen sich nicht erregen. Sicherlich ist Ihr
Gesundheitszustand in kurzer Zeit so vorgeschritten, daß Sie die
Reise antreten dürfen. Nein, ich dachte nur an Verzögerungen, die
möglicherweise aus anderen Gründen eintreten könnten, falls sich der
Antritt der Reise nicht bald ermöglichen läßt —“

„Verbergen Sie mir nichts. Man sagt mir sehr wenig von der Erde. Ich
denke, Ill ist mit so großartigem Jubel in Berlin aufgenommen worden.
Und mein Mann ist gesund —“

„Darüber können Sie beruhigt sein. Ich darf Ihnen noch mehr sagen,
Hil hat es jetzt erlaubt. Sollten Sie aus irgendeinem Grund an der Reise
verhindert sein, so werden Sie Ihren Mann doch bald wiedersehen. Er ist
an der Nordpolstation und erwartet dort die Nachricht, ob Sie kommen
oder ob er nach dem Mars reisen soll.“

„Nach dem Mars will er kommen! Und das wissen Sie? Und ich —?“

„Briefe können noch nicht hier sein. Es kam nur eine Lichtdepesche
von Ill. Aber Hil wollte Sie mit der Nachricht nicht aufregen — nun
seien Sie auch vernünftig und zeigen Sie, daß Sie die Probe bestehen
und uns nicht wieder kränker werden.“

„Er will kommen! Aber wozu? Ich möchte doch lieber nach der Erde!“

„Das sollen Sie ja auch. Nur für den Fall —“

„Was für einen Fall?“

„Wenn zum Beispiel die Verhältnisse auf der Erde in der nächsten Zeit
sehr unruhig werden sollten —“

„Ich denke, alles ist jetzt friedlich.“

„Die letzten Nachrichten sind weniger erfreulich.“

„Erzählen Sie, schnell! Unsre Viertelstunde ist bald um.“

„Die Mächte sind in Streit geraten. Was soll ich Sie mit den politischen
Einzelheiten ermüden, die ich selbst nur mangelhaft hier kenne, weil
bisher erst Lichtdepeschen hergelangt sind. Es ist der Streit um die
englische Erbschaft. Frankreich und Italien, Deutschland und Frankreich,
Österreich und Rußland rechten um ihre Grenzen im Kolonialbesitz
in Afrika, Asien und der Türkei. Am Mittelmeer gibt es kaum einen
Punkt, über den man sich einigen kann. England ist ohnmächtig, die
Marsstaaten schützen es in einigen Punkten, und gerade diese möchten
die andern haben. Die Staaten rüsten gegeneinander, schon sind an den
Kolonialgrenzen Schüsse gefallen, man muß darauf gefaßt sein, daß ein
Weltkrieg ausbricht. Dies werden die Martier auf keinen Fall zugeben,
und so steht zu befürchten, daß wir zu neuen Gewaltmaßregeln gegen
die Menschen, diesmal auch gegen Deutschland, getrieben werden. Deshalb
wäre es gut, wenn Sie bald reisen könnten, ehe vielleicht wieder eine
Sperrung eintritt. Auf jeden Fall aber würde Torm hierherkommen dürfen.
Das hat Ill ihm zugesichert.“

Isma schüttelte den Kopf. „Was Sie da alles sagen, verwirrt mich,
ängstigt mich —“ Und nach kurzem Schweigen fuhr sie fort: „Aber ich
will gesund sein! Ich will gar nicht darüber nachdenken. ich fühle,
daß ich Ruhe brauche. Ich danke Ihnen herzlich, Ell, daß Sie gekommen
sind. Nun weiß ich doch wieder, daß ich nicht verlassen bin.“

Sie reichte ihm die Hand.

„Leben Sie wohl, Isma. Sie können ganz ruhig sein. Sie werden bald
gesund sein.“

Er sah sie an mit den alten, treuen Augen und ging. Sie lächelte müde
und lehnte sich zurück. Die Lider fielen ihr zu.

„Ich will gesund sein“, dachte sie. Aber sie hörte schon nicht mehr,
daß Hil bei ihr eintrat und sie teilnahmsvoll betrachtete.

                                 *     *     *

Eine Woche später, es war ein herrlicher Maitag, tobte eine aufgeregte
Volksmenge in den Straßen der europäischen Städte. Überall hörte
man Beschimpfungen der Martier. Wo man vor vier Wochen gejubelt hatte und
Hurra geschrien, ertönte jetzt: „Nieder mit dem Mars!“ Die Geschäfte
mit Marsartikeln, die wie Pilze in die Höhe geschossen waren, sahen sich
genötigt, ihre Läden zu schließen. „Nieder mit den Glockenjungens“,
hieß es in Berlin, wo man die Martier ihrer diabarischen Helme wegen mit
diesem geschmackvollen Titel beehrte. Die Menge demonstrierte vor dem
Gebäude, das die Marsstaaten für ihre Botschaft gemietet hatten. Auf
dem flachen Dach ruhten die Luftschiffe, bereit, in der nächsten Stunde
die Hauptstadt zu verlassen.

Aber nicht weniger erregt, vielmehr erfüllt von einem heiligen Zorn,
war die Stimmung auf dem Mars. Die Nachricht von einem ungeheuren
Blutvergießen der Menschen untereinander war angelangt. In der Türkei
und in Kleinasien, wo man hauptsächlich nur aus Furcht vor England sich
soweit im Zaume gehalten hatte, daß die europäischen Fremden sich sicher
fühlen durften, war jetzt diese Schranke gefallen. Der mohammedanische
Fanatismus flutete über. Auf einen heimlichen Wink der türkischen
Regierung erhoben sich die Massen. Ein entsetzliches Gemetzel begann
gegen die Christen. Die Gebäude der Botschaften wurden erstürmt,
Männer, Kinder und Frauen binnen einer Nacht in gräßlicher Weise
gemordet. Und furchtbar war die Rache. So weit die Kanonen der fremden
Kriegsschiffe reichten, wurden am andern Tag die blühenden Küsten,
Paläste und Moscheen Konstantinopels in Trümmerhaufen verwandelt. Und
nicht genug damit. Zwischen den europäischen Staaten selbst entbrannte
die Eifersucht, wer die Trümmer mit seinen Truppen besetzen sollte. Der
Krieg war so gut wie ausgebrochen, ehe er formell erklärt war.

Tiefe Empörung ergriff die Bevölkerung der Marsstaaten. Der
Antibatismus gewann die Oberhand. Das Parlament forderte von der
Regierung die sofortige Unterdrückung der Greuel und die Herstellung
des Friedenszustandes auf der Erde. Am 12. Mai beschloß das Parlament
unter Zustimmung des Zentralrats folgendes:

„Da die Menschen nicht fähig sind, aus eigener Macht unter sich einen
friedlichen Kulturzustand zu erhalten, sieht sich die Regierung der
Marsstaaten gezwungen, hiermit das Protektorat über die gesamte Erde
zu erklären und jede politische Aktion der Erdstaaten untereinander,
ohne vorherige Zustimmung der Marsstaaten, zu verbieten. Der Präsident
des Polreichs der Nume auf der Erde wird beauftragt und bevollmächtigt,
alle Maßregeln sofort anzuordnen, die er für notwendig erachtet,
um dem ausgesprochenen Willen der Marsstaaten auf der Erde, und zwar
zunächst in Europa, Geltung zu verschaffen.“

Es war dieser Beschluß der Marsstaaten und die von Ill hinzugefügte
Erklärung, wodurch die Bevölkerung aller zivilisierten Staaten in so
außerordentliche Aufregung geraten war. Die Mitteilung an die Regierungen
war gleichzeitig in Form einer Bekanntmachung in den europäischen Staaten
von den Martiern verbreitet worden. Man zerriß jetzt die Blätter,
die sie enthielten, man entfernte die Plakate von den Häusern. Die
Bekanntmachung lautete folgendermaßen:

„Indem ich den vorstehenden Beschluß der Marsstaaten zur allgemeinen
Kenntnis bringe, übernehme ich mit dem heutigen Tage in ihrem Namen
die Schutzherrschaft über alle Staaten der Erde und bestimme wie folgt:

Alle Regierungen und Nationen werden bis auf weiteres in ihren
verfassungsmäßigen Rechten bestätigt und sind in ihren inneren
Angelegenheiten frei, mit Ausnahme der unten angegebenen Bestimmung
über das Heerwesen.

Alle internationalen Verträge und Kundgebungen bedürfen zu ihrer
Gültigkeit der durch mich zu vollziehenden Bestätigung der Marsstaaten.

Alle Kriegsrüstungen sind verboten. Die von den europäischen
Regierungen ausgegebenen Mobilisierungsbefehle sind aufzuheben. Die
Friedenspräsenzstärke ihrer Heere wird auf die Hälfte der bisherigen
herabgesetzt. Die Hauptwaffenplätze werden unter Oberaufsicht eines
von mir zu ernennenden Beamten gestellt.

Alle Regierungen werden eingeladen, bevollmächtigte Vertreter zu der
Weltfriedenskonferenz zu entsenden, die am 30. Mai unter meinem Vorsitz
am Nordpol der Erde wird eröffnet werden.

Von der Bevölkerung der Erde erwarte ich, daß sie die Bemühungen der
Marsstaaten, ihr die vollen Segnungen des Friedens und der Kultur zu
bringen, mit allen Kräften unterstützen wird.

Gegeben am Nordpol der Erde, den 15. Mai

Ill,

Präsident des Polreichs der Nume.

Bevollmächtigter Protektor der Erde.“

Mit klingendem Spiel und von der Menge mit Hochrufen begrüßt rückten
zwei Kompagnien der Garde vor das Gebäude der Botschaft der Marsstaaten,
um dasselbe gegen etwaige Übergriffe der aufgeregten Bevölkerung zu
schützen. Ein Adjutant begab sich in das Haus, um dem Botschafter
zu melden, daß die Regierung Seiner Majestät dem Präsidenten des
Polreichs nach dem bereits telegraphisch übermittelten Protest nichts
weiter mitzuteilen habe.

Eine Viertelstunde später erhoben sich die Luftschiffe der Martier und
richteten unter dem tobenden Gejohle der Menge ihren Flug nach Norden.


 43. Die Besiegten